Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 695
Das unmittelbare Ansetzen zur Tat markiert den Übergang zur Strafbarkeit; Absichten, Planungen, der bloße Tatentschluss oder die Vorbereitung einer (Steuer-)Straftat im Vorfeld des Versuchs sind nicht mit Strafe bedroht (für Verbrechen vgl. aber auch § 30 StGB). Handlungen im Vorfeld der Steuerhinterziehung können aber ggf. nach §§ 379–381 AO eine Ordnungswidrigkeit sein. Beim Versuch muss in subjektiver Hinsicht Tatentschluss und objektiv das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung vorliegen. Ob ein unmittelbares Ansetzen gegeben ist, ist aber auf Grundlage der Vorstellung des Täters zu entscheiden, so dass es sich auch insofern nicht um eine rein äußerliche Prüfung handelt.
Rz. 696
Ist der Tatbestand vollendet, kommt eine Strafbarkeit wegen Versuchs nicht mehr in Betracht. Für die Vollendung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Steuerverkürzung oder die Steuervorteile eingetreten sind (s. Rz. 400 ff.). Bei Festsetzung der Einkommensteuer aufgrund einer unrichtigen Einkommensteuererklärung kann tateinheitlich mit der vollendeten Hinterziehung von Einkommensteuer der Versuch der Hinterziehung der Einkommensteuervorauszahlung für das Folgejahr vorliegen, die aber ihrerseits mit zu niedriger Festsetzung der Vorauszahlungen vollendet wird (s. Rz. 402). Zur Vollendung des § 370 AO bei einer Schätzung nach § 162 AO s. Rz. 414 f. Zum Versuchsbeginn und zur Abgrenzung zur Vollendung bei den Einfuhrabgaben s. die Beispiele Rz. 704, 707 sowie Rz. 1526 ff., 1540 f. Zur Versuchsstrafbarkeit durch Abgabe einer falschen Drittschuldnererklärung im Beitreibungsverfahren s. Rz. 1577. Zum Versuch eines Regelbeispiels s. Rz. 1089 ff., 1094 ff.. Rspr. und ein Teil der Lehre behandeln die Regelbeispiele auch insoweit wie Tatbestände, so dass eine (versuchte) Steuerhinterziehung in einem (versuchten) besonders schweren Fall möglich ist.
1. Tatentschluss
Rz. 697
Der Entschluss, die Tat zu begehen, entspricht dem subjektiven Tatbestand des vollendeten Delikts und ist daher der Vorsatz, die objektiven Tatbestandsmerkmalen des § 370 Abs. 1 AO zu erfüllen (s. Rz. 600 ff.). Dabei genügt nach ganz h.M. dolus eventualis (s. Rz. 610 ff.). Zum Irrtum s. Rz. 645. Es reicht nicht aus, wenn der Täter die Vollendung nicht will und es nur bis zum Versuch der Steuerhinterziehung kommen lassen will (agent provocateur, s. Rz. 121). Über das "Ob" der Tat muss abschließend entschieden worden sein. Auch hier müssen die Feststellungen des Tatgerichts zum Tatentschluss widerspruchsfrei sein.
Beispiel
U lässt die von ihm ausgefüllte, inhaltlich unrichtige Steuerklärung auf dem Schreibtisch liegen, da er noch unsicher ist, ob er sie so wirklich abgeben will. In der irrigen Annahme, dass U nur das Absenden vergessen hat, schickt seine Sekretärin die Erklärung an die FinB.
Es fehlt am Tatentschluss des U; das bloße Ausfüllen der Erklärung ist zudem lediglich eine straflose Vorbereitung der Tathandlung ("Angaben machen"). Die Übersendung der Erklärung durch S ist dem U nicht zuzurechnen (s. Rz. 110 ff.), da ein entsprechender Vorsatz fehlt. Das wäre anders, wenn U die falsche Steuerklärung bereitlegt, um es dem "Schicksal" zu überlassen, ob S sie absendet oder nicht. Der Eintritt dieser Bedingung hängt nicht mehr vom Willen des U ab. Ein unbedingter Tatentschluss liegt bspw. auch vor, wenn der Täter Geld in die Fußmatte seines Pkw einnäht, um es bei Ablehnung seines Ausfuhrantrags über die Grenze zu schmuggeln.
Rz. 698
Einstweilen frei.
2. Unmittelbares Ansetzen zur Tat
Rz. 699
Die maßgebliche Grenze zwischen strafloser Vorbereitung der Tat und Beginn des strafbaren Versuchs bildet nach § 22 StGB das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung. Das Geschehen muss also scho...