Rz. 435
Durch § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO n.F. wurde zum 1.1.2015 der Begriff des "Täters" durch den Begriff des "an der Tat Beteiligten" ersetzt und somit der Adressatenkreis der zur Sperrwirkung führenden Prüfungsanordnung erweitert. Damit ist nunmehr gesetzlich kodifiziert, dass neben dem Täter nun auch Anstifter und Gehilfen erfasst sind. Wurde dem Täter einer Steuerhinterziehung eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben, kann auch der Teilnehmer keine wirksame Selbstanzeige mehr abgeben, auch wenn ihm die Prüfungsanordnung unbekannt geblieben ist. Dies gilt auch in dem umgekehrten Fall der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung gegenüber einem Teilnehmer für die Selbstanzeige des Täters.
Rz. 436
Außerdem nennt das Gesetz nunmehr den "Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 " als weiteren Bekanntgabeadressaten einer Prüfungsanordnung. Der Gesetzgeber wollte damit eine Regelungslücke schließen: Erfasst werden soll nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum AOÄndG 2015 der Fall, dass ein Mitarbeiter zugunsten eines Unternehmens eine Steuerhinterziehung begangen hat, aber zwischenzeitlich aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Wurde anschließend dem Unternehmen gegenüber eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben, führte dies nicht zu einem Sperrgrund für den ausgeschiedenen Mitarbeiter. Dieser konnte weiterhin eine Selbstanzeige abgeben. Dies ist nach der Neufassung nicht mehr möglich; die gegenüber dem Unternehmen bekannt gegebene Prüfungsanordnung sperrt auch eine Selbstanzeige eines an der Tat beteiligten, ausgeschiedenen Mitarbeiters. Ob dies sachgerecht ist, ist mehr als fraglich. Gerade der ausgeschiedene Mitarbeiter wird im Falle der telefonischen Ankündigung einer Betriebsprüfung häufig keine Kenntnis erlangen. Demgegenüber haben die noch im Unternehmen verbliebenen, an der Tat beteiligten Personen in diesem Fall – sofern keine anderen Sperrgründe vorliegen – die Möglichkeit, rechtzeitig vor Bekanntgabe der schriftlichen Prüfungsanordnung eine Selbstanzeige abzugeben. Mit Ausnahme der in der Gesetzesbegründung erwähnten Fallgruppe ausgeschiedener Mitarbeiter lässt der Gesetzeswortlaut offen, wer als "Begünstigter im Sinne des § 370 Absatz 1" anzusehen ist. Aus dem Beispiel lässt sich ableiten, dass hierunter jedenfalls der Schuldner der hinterzogenen Steuer zu verstehen ist. Darüber hinaus spricht m.E. einiges dafür, den Begriff des Begünstigten parallel zu dem Kreis der Nachentrichtungspflichtigen i.S.d. § 371 Abs. 3 Satz 1 AO ("zu seinen Gunsten") auszulegen. Somit kommt es auf das Vorliegen eines unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteils an (s. dazu Rz. 302 ff.).
Rz. 437
Wulf weist darauf hin, dass damit im Bereich der Personengesellschaften Friktionen bestehen können. Erfolgt die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung bei einer KG gegenüber dem zur Geschäftsführung befugten Komplementär, ist in der Tat fraglich, ob und in welchem Umfang die Prüfungsanordnung für Selbstanzeigen der Kommanditisten in Bezug auf von diesen begangene Steuerhinterziehungen Sperrwirkung entfaltet. Unproblematisch besteht eine Sperrwirkung hinsichtlich in der Anordnung genannter Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Die KG ist insoweit Steuerschuldnerin und "Begünstigte". Anders ist dies hinsichtlich der Einkommensteuer der Gesellschafter. Insoweit ist die KG jedenfalls nicht Steuerschuldnerin, auch entsteht ihr kein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil aus der Einkommensteuerhinterziehung. Damit könnte der Gesellschafter mangels Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an einen "Begünstigten" noch eine Selbstanzeige wegen Einkommensteuerhinterziehung abgeben. Die praktische Relevanz dieser Problematik dürfte aber sehr gering sein. Wegen der Beschränkung auf den zeitlichen und sachlichen Umfang der Prüfungsanordnung würde sich eine Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO hinsichtlich Einkommensteuer des Gesellschafters ohnehin nur ergeben, wenn die Prüfung der Einkommensteuer der Gesellschafter ausdrücklich in der Prüfungsanordnung genannt ist (vgl. § 194 Abs. 1 Satz 3 oder Abs. 2 AO). In diesem Fall ist die Prüfungsanordnung aber gem. § 197 Abs. 1 Satz 3 AO insoweit auch den Gesellschaftern gegenüber bekannt zu geben.