Rz. 451
"Erschienen" ist der Amtsträger zur steuerlichen Prüfung oder Ermittlung, wenn er an dem Ort ankommt, an dem die Prüfung durchgeführt werden soll. Darunter ist nach h.M. ein physisches Erscheinen zu verstehen. Die bloße (telefonische oder schriftliche) Ankündigung des Besuchs des Betriebsprüfers oder der Erhalt der Prüfungsanordnung (vgl. §§ 196, 197 AO) reichen nicht aus.
Rz. 452
Nach einer Ansicht genügt es, wenn der Prüfer am Prüfungsort körperlich in das Blickfeld des Täters oder dessen Vertreters getreten ist. Nicht erforderlich sei, dass er die Geschäfts- oder Wohnräume bereits betreten habe.
Beispiel 5
Der Betriebsprüfer war zu dem vorangekündigten Termin auf dem Parkplatz des Betriebs des Angeklagten vorgefahren. Er stieg aus und begab sich zum Eingang des Betriebsgebäudes. Als er nur noch wenige Meter von dem Eingang entfernt war, kam ihm der Angeklagte entgegen. Nach der Vorstellung erklärte der Beamte, er wolle nunmehr mit der Prüfung beginnen. Nun offenbarte der Angeklagte seine Steuerhinterziehung. Das OLG Stuttgart verneinte die Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige aus den vorbezeichneten Erwägungen.
Rz. 453
Das Abstellen auf die optische Wahrnehmung ist hingegen mit Recht weder für hinreichend noch für erforderlich zu halten, wie es das folgende Beispiel verdeutlicht:
Beispiel 7
Der Stpfl. S sieht bereits von Weitem, dass der Betriebsprüfer B, der sich bei ihm angekündigt hat, sich dem Haus des S nähert, dann aber vor Betreten des Grundstücks kehrtmacht, weil er die für die Durchführung der Prüfung erforderlichen Hilfsmittel auf seiner Amtsstelle vergessen hat und noch einmal zurückkehrt. Hier ist die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO noch nicht ausgelöst. S kann noch vor Wiederkehren des B wirksam Selbstanzeige erstatten (sofern kein anderer Sperrgrund verwirklicht ist, insb. nicht bereits zuvor gegenüber einem der tauglichen Adressaten nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde).
Es ist zumindest zu fordern, dass der Prüfer in Prüfungsabsicht bereits das Grundstück mit den Betriebs- oder Wohnräumen betreten oder die Schwelle zur Wohnungstür des Stpfl. überschritten hat. In diesem Zusammenhang wird daher häufig anschaulich von der "Fußmattentheorie" gesprochen. Zum selben Ergebnis gelangt Westpfahl, die als entscheidendes Kriterium auf das Erscheinen des Prüfers in der zurechenbaren "Sphäre" des Betroffenen abstellt. Die auf die optische Wahrnehmung abstellende Gegenansicht (s. Rz. 452) führt zu einer unangemessenen Vorverlagerung der Sperrwirkung.
Rz. 454
Andererseits tritt die Ausschlusswirkung nicht erst mit Prüfungsbeginn ein. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO kommt deshalb auch dann zur Anwendung, wenn
- der zur Prüfung entschlossene Amtsträger in der Wohnung des Stpfl. niemanden antrifft und er eine entsprechende Nachricht über den vergeblichen Prüfungsversuch zurücklässt oder der Stpfl. ihm nicht öffnet oder sich verleugnen lässt oder
- er sich nach seinem Erscheinen aus bestimmten Gründen nach pflichtgemäßem Ermessen dazu entschließt, den Zeitpunkt des Prüfungsbeginns auf einen anderen Tag zu verschieben.
- Auch die zeitweilige Unterbrechung der Prüfung hindert nicht den Eintritt der Sperrwirkung. Die Selbstanzeigemöglichkeit lebt erst mit Abschluss der Außenprüfung wieder auf (dazu s. Rz. 517 ff.).