Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 138
Im Übrigen kann neben der Freiheitsstrafe auf die in § 375 AO festgesetzten Nebenfolgen erkannt werden (vgl. die Erläuterungen zu § 375). Gemäß § 375 Abs. 1 AO i.V.m. § 45 Abs. 2 StGB kann die Amtsfähigkeit und Wählbarkeit aberkannt werden.
Gemäß § 375 Abs. 2 AO können Erzeugnisse, Waren und andere Sachen, auf die sich eine Hinterziehung von Verbrauchsteuer oder Zoll, ein Bannbruch oder eine Steuerhehlerei bezieht, sowie die zu einer derartigen Steuerstraftat benutzten Beförderungsmittel eingezogen werden (s. § 370 Rz. 1554; § 374 Rz. 114 f.).
Rz. 139
Nach der neuen Rechtslage zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung durch Gesetz vom 13.4.2017 mit Wirkung vom 1.7.2017 scheidet auch bei Schmuggeltaten die Einziehung von Taterträgen gem. § 73 ff. StGB nicht mehr wegen bestehender Steueransprüche des Fiskus aus (zur früheren Ausschlussklausel des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. s. § 370 Rz. 1130.5; § 399 Rz. 300 ff.). Frühere Rspr. zum Recht des Verfalls ist dadurch überholt.
Rz. 139.1
Der BGH beschränkt in seiner neueren Rspr. die Einziehung von Taterträgen bei Steuerhinterziehung auf den tatsächlichen Vermögenszuwachs, der durch die Tat ausgelöst wurde (s. näher § 370 Rz. 1130.10 f., 1554.1 ff.). Grundsätzlich kann dabei auch die verkürzte Steuer als ersparte Aufwendung "erlangtes Etwas" i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein.
Rz. 139.2
Bei der Tabaksteuer als Verbrauch- und Warensteuer ist ein solch unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil der Steuerhinterziehung nur gegeben, wenn sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs, etwa in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils, erzielt (s. BGH im nachfolgenden Beispiel).
Beispiel 7
Der Angeklagte ließ im Jahr 2015 von Lettland nach Deutschland unversteuerte Zigaretten, die in den Frachtbrief falsch bezeichnet waren, transportieren. Hierdurch kam es zu einer Hinterziehung von Tabaksteuer i.H.v. 1.449.928 EUR. Der Angeklagte selbst sollte für den Transport lediglich 1.000 EUR nebst Umsatzsteuer vom Auftraggeber des Transports erhalten. Hierzu kam es jedoch nicht. Die Vorinstanz – LG Lübeck – verurteilte ihn zu drei Jahren wegen gewerbsmäßigen Schmuggels und ordnete die Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe der verkürzten Tabaksteuer an.
Da dem Täter der Lohn für den Transport der Zigaretten nicht tatsächlich zugeflossen ist, hat er keinen messbaren Vermögensvorteil durch die Tat erlangt. Offene Steuerschulden allein stellen somit keinen solchen Vorteil i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB dar.
Mit dieser beschuldigtenfreundlichen Rspr. tritt der BGH einer rein schematische Betrachtung bei der Einziehung, die sich allein am Hinterziehungsvolumen ausrichtet, entgegen. Soweit der Fiskus nach den Vorschriften der AO die Vollstreckung betreiben wird, soll zudem gem. § 421 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 459g Abs. 2 i.V.m. § 459c Abs. 2 StPO die Einziehung vom Strafgericht nicht weiter verfolgt werden.
Im Fall hatte der BGH auch klargestellt, dass kein gewerbsmäßiger Schmuggel i.S.v. § 373 AO, sondern lediglich eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO vorlag, da beim Verbringen von Lettland (Mitgliedstaat der EU) nach Deutschland keine Einfuhrabgaben (Zoll oder Einfuhrumsatzsteuer) hinterzogen wurden. Der Angeklagte hatte ohne Steuerzeichen Zigaretten ins Steuergebiet verbracht und dadurch die mit dem Verbringen entstandene deutsche Tabaksteuer (§ 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG) verkürzt.
Das Konkurrenzverhältnis zwischen § 370 Abs. 1 Nr. 2 zu § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO ließ der BGH offen, da die Tat gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zumindest eine mitbestrafte Nachtat im Hinblick zu § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO sei.
Rz. 139.3
Die vorstehend genannten Grundsätze bei der Einziehung bei der Hinterziehung von Tabaksteuern gelten auch für den Alkoholschmuggel. Ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil ist nur dann gegeben, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den geschmuggelten verbrauchsteuerpflichtigen Waren einen Vermögenszuwachs erzielt.
Rz. 139.4
An einem Vermögenszuwachs fehlt es, wenn der Täter die Verfügungsmöglichkeit über die Waren zunächst erlangt, diese dann jedoch durch Sicherstellung wieder verliert.
Rz. 139.5
Gehört die Sache einer anderen Person, so ist die Einziehung nur zulässig, wenn entweder zusätzliche Merkmale in der Sache selbst nach § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB oder in der Person des Betroffenen nach § 74a StGB vorliegen.
Eine Dritteinziehung von Tatmitteln beim Schmuggel mit Fahrzeugen nach § 74a Nr. 1 StGB gegenüber dem nicht an der Tat beteiligten Eigentümer setzt voraus, dass dieser durch sein Verhalten ermöglicht hat, dass sein Eigentum Mittel oder Gegenstand der Tat oder ihrer Vorbereitung wurde. Bei der Nutzung eines Fahrzeuges zum Schmuggel genügt der Hinweis auf einen Verstoß gegen die allgemeine Verkehrssicherungspflic...