Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 98
Während sich früher die Strafbarkeit des Versuchs bei der Steuerhehlerei aus der Verweisung des § 374 Abs. 1 AO a.F. auf § 370 Abs. 2 AO ergab (s. Rz. 5), ist seit 2008 durch die ausdrückliche Regelung in Abs. 3 ein derartiger Rückgriff nicht mehr erforderlich.
Rz. 99
Zum Versuch allgemein s. zunächst die Ausführungen § 370 Rz. 690 ff. Nach § 22 StGB liegt ein Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt. Geht man mit der h.M. davon aus, dass es dem Täter darauf ankommen muss, die Verfügungsgewalt über das Tatobjekt zu erlangen, wird man das Vorliegen eines Versuchs in solchen Handlungen zu erblicken haben, die auf diese Erlangung unmittelbar abzielen. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Dies gilt insbesondere, wenn der Täter erst Kaufverhandlungen führt. Hier kommt es auf die Einzelheiten und das Stadium der Verhandlungen an. Ein unverbindliches Informationsgespräch reicht sicherlich nicht aus. Ebenso wenig reicht für die Annahme eines Versuchs die Prüfung von weiteren Absatzmöglichkeiten und die Kontaktaufnahme mit späteren Abnehmern aus (s. dazu Rz. 100).
Rz. 100
Zur Abgrenzung straflose Vorbereitung/Versuch/Vollendung s. das folgende Beispiel:
Beispiel 4
Der Angeklagte wollte sich von einem polnischen und weiteren unbekannt gebliebenen Lieferanten in acht Fällen große Mengen unverzollter und unversteuerter Zigaretten verschaffen, die zuvor ohne Gestellung und Anmeldung von der Ukraine nach Polen in das Zollgebiet der EU verbracht worden waren. Die Zigaretten, je Lieferung zwischen 180.000 und 250.000 Stück, wollte der Angeklagte gewinnbringend an eigene Abnehmer weiterveräußern. Auf den Zigaretten lasteten Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer i.H.v. insgesamt rund 307.000 EUR.
Nur in vier von acht Fällen konnte der Angeklagte die auf seine Weisung an einen Übergabeort in Magdeburg gelieferten Zigarettenladungen übernehmen. In den übrigen Fällen kam es zu keiner Übergabe:
- Im 1. Fall scheiterten bereits die Kaufverhandlungen des Angeklagten mit seinem polnischen Lieferanten T. Dieser hatte zur Bedingung der Lieferung gemacht, dass die Abnehmer des Angeklagten feststünden. Dem Angeklagten gelang es allerdings nicht, einen Abnehmer zu nennen.
- Im 2. und 3. Fall einigte sich der Angeklagte mit T. über die Lieferung. Die Zigaretten erreichten jedoch in beiden Fällen nicht den vereinbarten Übergabeort in Magdeburg. Die eine Lieferung wurde nach dem Verbringen nach Deutschland von unbekannt gebliebenen Dritten gestohlen, die andere Lieferung wurde nach dem Verbringen von Polen nach Deutschland in Seelow von der Polizei beschlagnahmt.
- Im 4. Fall sollten die Zigaretten auf Weisung des Angeklagten direkt an seine zwei Abnehmer in eine Scheune nahe Schwanebeck geliefert werden. Die beiden Abnehmer begaben sich zwar zu dem vereinbarten Übergabeplatz; jedoch wurden die Zigaretten vor der geplanten Übergabe von Mitarbeitern des Zollfahndungsamts beschlagnahmt.
Das LG hatte die vier Fälle der geglückten Übergabe als vollendete Steuerhehlerei in Form des Ankaufens gewertet, den Angeklagten jedoch auch in den vier gescheiterten Fällen wegen vollendeter gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (§ 374 AO) in der Variante der Absatzhilfe verurteilt. Die Revision des Angeklagten war teilweise erfolgreich: In allen gescheiterten Übergabefällen verneinte der BGH eine vollendete Steuerhehlerei. Im Fall der gescheiterten Vertragsverhandlungen lehnte er auch einen Versuch ab, während in den drei anderen Fällen eine versuchte gewerbsmäßige Steuerhehlerei – in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung – anzunehmen sei.
Eine vollendete Steuerhehlerei hat der BGH in den vier vorbenannten Fällen zunächst verneint. Der Angeklagte habe für seinen Lieferanten keine Absatzhilfe geleistet, sondern als sog. Zwischenhehler auf eigene Rechnung und nicht im Interesse seines Lieferanten gehandelt. Das Merkmal der Absatzhilfe erfasse nur diejenigen Handlungen, mit denen der Hehler sich an den Absatzbemühungen des Vortäters oder eines Zwischenhehlers in dessen Interesse und auf dessen Weisung unselbständig beteilige (s. Rz. 60). Mangels eigener Verfügungsgewalt über die Zigaretten schied auch ein "Sich-Verschaffen" aus.
Mit der Aufnahme der (letztlich gescheiterten) Kaufvertragsverhandlungen habe der Angeklagte noch nicht unmittelbar zum Ankaufen bzw. Verschaffen i.S.d. § 374 AO angesetzt. Erforderlich sei vielmehr, dass sich die Übergabe der Waren an den Käufer sofort anschließen kann und soll und die Verhandlungen der Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsgewalt unmittelbar vorgelagert sind. Ein Versuch schied insoweit aus, es handelte sich noch um straflose Vorbereitungshandlungen.
Dagegen hat der BGH mit Blick auf das Schutzgut der Steuerhehlerei (s. Rz. 10) den Versuchsbeginn mit Beginn der (gescheiterten) Lieferungen angenommen, denn dadurch werde bereits die Aufdeckung der Vortat und die Erhebung der verkür...