Rz. 111
Die rechtliche Bewertung des vom Mandanten verwirklichten steuerlichen Sachverhalts ist regelmäßig dem Steuerberater zugewiesen. Die fehlerhafte Bewertung des Steuervorgangs kann ihm als leichtfertige Steuerverkürzung vorgeworfen werden, wenn er die zutreffende Rechtslage hätte erkennen können und müssen.
Ebenso wie dem Stpfl. obliegt dem steuerlichen Berater eine Erkundigungs- bzw. Informationspflicht über die steuerliche Rechtslage. Diese besteht jedoch in weit höherem Maße, da der Steuerberater ja Fachkunde für sich in Anspruch nimmt. Instruktiv insofern das FG Baden-Württemberg im Hinblick auf einen zur Prüfung der Frage der Grunderwerbsteuerpflicht verpflichteten Notar, der ein vom ihm beurkundetes Grundstücksgeschäft nicht nach § 18 GrEStG dem FA angezeigt und hierdurch den Tatbestand des § 378 AO verwirklich hatte:
"Zwar dürfen hinsichtlich der zu fordernden Sorgfalt an einen Steuerpflichtigen aufgrund der Kompliziertheit und Undurchsichtigkeit der Steuergesetze keine zu strengen Anforderungen gestellt werden [...] Demgegenüber muss aber ein steuerlicher Berater strengeren Anforderungen genügen. Da die Zulassung zur berufsmäßigen Ausübung einer steuerberatenden Tätigkeit in Bezug auf Vorbildung, Ausbildung, Erfahrung und Fähigkeiten an strenge Voraussetzungen geknüpft ist, versteht es sich von selbst, dass der Maßstab für die anzuwendende Sorgfalt bei steuerlichen Beratern in der Regel erheblich höher ist als bei Steuerpflichtigen, die eine entsprechende Ausbildung und Berufserfahrung nicht haben und sich bei der Ausübung ihres Gewerbes oder Berufes nur am Rande und nur in eigener Sache mit steuerrechtlichen Fragen befassen und gerade deshalb auf die Hilfeleistung eines steuerberatenden Fachmannes angewiesen sind [...] Diese Anforderungen gelten auch für den Notar, der Grundstücksgeschäfte beurkundet, hinsichtlich der ihm gegenüber den Finanzbehörden obliegenden Anzeigepflichten. Insoweit kommt ihm aufgrund seiner Ausbildung und Stellung eine dem steuerlichen Berater vergleichbare Position zu; auch er muss sich deshalb höheren Anforderungen stellen."
In diesem Zusammenhang vgl. auch den Beschluss des BFH vom 25.8.2004:
"Die Anzeigepflichten nach § 19 Abs. 1 GrEStG dienen nur dazu, dem FA Kenntnis von dem anzeigepflichtigen Vorgang zu verschaffen und ihm so ggf. die Festsetzung von Grunderwerbsteuer für diesen zu ermöglichen. Sie sollen das FA aber nicht darüber hinaus in die Lage versetzen, Grunderwerbsteuerbescheide für frühere Vorgänge [...] wirksam bekannt zu geben. Es handelt sich dabei um getrennte Verfahren, die auch hinsichtlich der Frage einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO 1977) oder leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO 1977) gesondert zu beurteilen sind".
Die Anforderungen an die rechtliche Erkundigungspflicht des Steuerberaters werden jedoch zum Teil überspannt. Dass der Steuerberater die einschlägigen Steuergesetze zu kennen hat, ist eine Selbstverständlichkeit. Auch ist es dem Berater möglich und zumutbar, die Einkommensteuer-, Lohnsteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerrichtlinien sowie die Umsatzsteuererlasse, die der Bundesminister der Finanzen unter Berücksichtigung der Rspr. herausgibt, zu Rate zu ziehen, schon um seinen Mandanten sachgerecht zu beraten. Zu beachten braucht er sie dagegen nicht, denn sie haben nur behördeninterne Bindungswirkung und keine Rechtsnormqualität. Ihre Berücksichtigung verstieße mithin gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Ein gewissenhafter Berater wird auch die einschlägige höchstrichterliche Rspr. berücksichtigen.
Überzogen dagegen ist die Forderung, er habe sich ständig über die neueste Rspr. und über sämtliche Steuererlasse und sonstige Verwaltungsvorschriften zu allen erdenklichen Problemen auf dem Laufenden zu halten und die einschlägige Fachliteratur zu lesen. Der Steuerberater wäre hierzu allein zeitlich gar nicht in der Lage, wollte er nicht seine eigentliche Beratungstätigkeit vernachlässigen. Was die geforderte Kenntnis der Verwaltungsvorschriften anbelangt, ist – ungeachtet ihrer Unmaßgeblichkeit – im Übrigen zu bedenken, dass selbst ein erfahrener und überdurchschnittlich begabter Finanzbeamter nicht von sich behaupten kann, sämtliche Detailregelungen der einzelnen Verwaltungsanweisungen zu kennen, wobei noch außer Betracht gelassen wird, dass die Richtlinien ihrerseits vielfach auslegungsbedürftig sind, unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten und in Einzelpunkten durch aktuelle Rspr. überholt sein können. Hinzu tritt, dass häufig Antworten, und sei es unter Zuhilfenahme der Richtlinien, erst dann gesucht werden können, wenn sich die entsprechende Frage gestellt hat, d.h. die einschlägige Problematik erkannt wird. Bei einem unbeabsichtigten Übersehen einschlägiger BFH-Urteile oder bei Nichtbeachtung steuerlicher Verwaltungsvorschriften kann daher von einem leichtfertigen und ordnungswidrigen Verhalten nicht die Rede sein.
Auch der Ansicht, der Steuerberater hab...