Rz. 124
Eine besondere Regelung der Selbstanzeige für Fahrlässigkeitstäter sieht das Gesetz erst seit 1951 vor (§ 411 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der RAO vom 17.12.1951). Die Rechtsentwicklung bis zu diesem Zeitpunkt wird im Zusammenhang mit § 371 Rz. 3 ff. dargestellt.
Die Einführung des § 411 AO 1951, der in seinem sachlichen Gehalt § 404 Abs. 3 AO 1968 entsprach, hat der Gesetzgeber damit begründet, dass die "neuen verschärfenden Bestimmungen" des § 410 (heute § 371 AO) "bei der großen Zahl der fahrlässigen Steuerdelikte zu scharf und einschränkend", seien.
Rz. 125
Entsprechend § 371 AO bei der Steuerhinterziehung ist auch für die leichtfertige Steuerverkürzung gem. § 378 Abs. 3 AO die Möglichkeit einer Selbstanzeige vorgesehen, mit der der Täter oder Beteiligte die Verhängung einer Geldbuße abwenden können. Bußgeldfreiheit tritt nach § 378 Abs. 3 AO ein, wenn der Täter
- gegenüber der FinB unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt (s. auch § 371 Rz. 79 ff.),
- bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist (s. auch § 371 Rz. 554 ff.),
- und er die verkürzten Steuern fristgerecht nachentrichtet (s. auch § 371 Rz. 294 ff.).
Es handelt sich hierbei um einen persönlichen Bußgeldaufhebungsgrund. Ein bereits eingeleitetes Verfahren ist einzustellen.
Bis zur Neufassung des § 371 Abs. 1 AO durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz mit Wirkung zum 3.5.2011 deckten sich die positiven Voraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO mit jenen der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 Abs. 1 und 3 AO). Nach der grundsätzlichen Abschaffung der Teilselbstanzeige (s. § 371 Rz. 200 ff.) geht die Berichtigungspflicht einer Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO in sachlicher und zeitlicher Hinsicht weit über die Voraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO hinaus. Ein Vollständigkeitsgebot kennt § 378 Abs. 3 AO nicht.
Die negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO sind gegenüber § 371 Abs. 2 AO ebenfalls erheblich milder. Als Ausschlussgrund führt § 378 Abs. 3 AO lediglich – ähnlich der Regelung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b AO (s. § 371 Rz. 554 ff.) – die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat an. Das Erscheinen eines Amtsträgers zu Prüfungs- oder Ermittlungszwecken oder die Tatentdeckung und die Kenntnis des Täters davon stehen der Wirksamkeit einer Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung nicht im Wege. Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung (s. § 371 Rz. 422 ff.) sowie eine Steuerverkürzung von mehr als 25.000 EUR (§ 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) lösen ebenfalls keine Sperrwirkung für eine Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung aus. Auch bei einer laufenden Außenprüfung ist die Abgabe einer bußgeldbefreienden Selbstanzeige noch möglich. Zudem sind nach allgemeiner Ansicht die inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigung bzw. Nachholung erheblich geringer als bei § 371 Abs. 1 AO. Die Einzelheiten sind streitig (s. Rz. 134). Insbesondere im Rahmen einer Außenprüfung sollte aber beachtet werden, dass der Prüfer durch Abgabe einer Nacherklärung für leichtfertig begangene Taten u.U. erst recht auf vorsätzlich verwirklichte Sachverhalte stoßen kann. Zudem liegen Leichtfertigkeit und Vorsatz nahe beieinander (vgl. Eventualvorsatz), so dass eine Diskussion um eine Abgrenzung im Vorfeld bedacht werden sollte.
Rz. 125.1
Der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vorgesehene Austausch des Wortes "soweit" durch das Wort "wenn" wurde letztlich nicht umgesetzt. Durch jene Änderung sollte die Regelungssystematik des § 371 Abs. 1 AO für die Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung übernommen werden. Da die Änderung jedoch nicht umgesetzt wurde, sind bei § 378 Abs. 3 AO – entgegen der Regelung des § 371 Abs. 1 AO – Teilselbstanzeigen weiterhin möglich. Die Auffassung von Rolletschke, dass Teilselbstanzeigen seit dem BGH-Beschluss vom 20.5.2010 auch nach § 378 Abs. 3 AO unwirksam sind, geht daher fehl. Wenzel differenziert diesbezüglich zwischen bewusstem und unbewusstem Handeln: Bei einem einzigen unbewussten Tatkomplex sowie bei bewusstem Handeln müsse die Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO vollständig sein; nicht jedoch bei unbewusstem Handeln, das sich in mehrere unabhängige Teilaspekte gliedert. Liegt schließlich gemischtes Handeln vor, muss die Selbstanzeige nur das enthalten, was im Zeitpunkt der Abgabe bewusst war.
Rz. 126
Die gegenüber § 371 AO weiter gefasste Selbstanzeigemöglichkeit bei leichtfertiger Steuerverkürzung erscheint gerechtfertigt, da der Täter – wie regelmäßig bei Fahrlässigkeitstaten – von seinem pflichtwidrigen Verhalten nichts weiß. Meist wird er sich der leichtfertigen Verkürzung daher erst bewusst, wenn eine Außenprüfung schon begonnen hat oder die Tat bereits vom Prüfer ganz oder teilweise entdeckt ist. Im Übrigen w...