Rz. 56
Vgl. zunächst die Ausführungen in Rz. 5.1 f. Folgende Konstellationen sind für das Verhältnis der §§ 370, 378 zu § 380 AO denkbar:
Hat der Täter, der objektiv und subjektiv die in § 380 AO bezeichneten Pflichten verletzt, gleichzeitig die FinB über das Entstehen und die Höhe des Steueranspruchs vorsätzlich in Unkenntnis gelassen (indem er die Abzugsteuer nicht bzw. unzutreffend anmeldet), so ist die gesamte Tat nur als Steuerhinterziehung gem. § 370 AO zu bestrafen.
Beispiel
Der Arbeitgeber A behält bei Lohnzahlungen die vom Arbeitnehmer geschuldete Lohnsteuer nicht rechtzeitig ein und führt sie nicht ab. Auch seiner gem. § 41a EStG bestehenden Verpflichtung zur Lohnsteueranmeldung kommt er vorsätzlich nicht nach.
Das Verhalten des A ist ausschließlich als Lohnsteuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ahnden. Der in Gesetzeseinheit mitverwirklichte Tatbestand der Lohnsteuergefährdung gem. § 380 AO tritt subsidiär zurück.
Rz. 57
Wenn die Tathandlung als leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) geahndet werden kann, tritt § 380 AO aufgrund der ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel des § 380 Abs. 2 AO ebenfalls zurück.
Beispiel
A hat die Lohnsteuer für seine Angestellten leichtfertig nicht rechtzeitig angemeldet und vorsätzlich nicht abgeführt. Die Zuwiderhandlung des A wird allein nach § 378 AO geahndet; § 380 AO tritt als subsidiär zurück.
Rz. 58
Anwendung findet die Bußgeldnorm dann, wenn die Verfahren wegen §§ 370, 378 AO aus Opportunitätsgründen (vgl. § 398 AO, §§ 153, 153a StPO, § 47 OWiG) eingestellt werden. Eigenständige Bedeutung erlangt § 380 AO auch dann, wenn der Abzugspflichtige die Steuern ordnungsgemäß angemeldet, d.h. die FinB über das Bestehen der Steueransprüche nicht im Unklaren gelassen hat, die Abzugsbeträge aber nicht an die Finanzkasse abgeführt hat (s. Rz. 5.1).
Beispiel
A behält aus dem Arbeitsentgelt seiner Angestellten die Lohnsteuerbeträge ordnungsgemäß ein und meldet sie auch richtig beim FA an. Am gesetzlichen Zahlungstermin führt er die einbehaltenen Abzugsbeträge aber nicht ab, sondern verwendet sie für andere Betriebsschulden.
Rz. 59
Die Gefährdung der Abzugsteuern kann auch neben einem Verkürzungsdelikt nach §§ 370, 378 AO verwirklicht und geahndet werden.
Beispiel
A hat die Lohnsteueranmeldungen ordnungsgemäß abgegeben, wegen Liquiditätsschwierigkeiten die einbehaltenen Steuerbeträge aber nicht rechtzeitig abgeführt. Im Beitreibungsverfahren erschleicht A durch falsche Angaben einen Billigkeitserlass hinsichtlich seiner Lohnsteuerhaftung.
Mit Ablauf des Fälligkeitstages ist die Ordnungswidrigkeit nach § 380 AO erfüllt. Durch die Täuschungshandlung im anschließenden Beitreibungsverfahren hat A eine Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 AO begangen, die zu § 380 AO im Verhältnis der Tatmehrheit steht.
Rz. 60
Das besondere Konkurrenzverhältnis von § 380 AO zu den §§ 370, 378 AO führt zu der weiteren Frage, ob im Falle einer wirksam erstatteten Selbstanzeige bei einer vorsätzlich oder leichtfertig begangenen Hinterziehung von Abzugsteuern gem. den §§ 371, 378 Abs. 3 AO der Täter nicht nur hinsichtlich der Steuerhinterziehung, sondern auch hinsichtlich der gleichzeitig verwirklichten Abzugsgefährdung nach § 380 AO Straf- bzw. Bußgeldfreiheit erlangt (s. Rz. 54 ff.).