Rz. 75

[Autor/Stand] Wie oben (s. Rz. 10 f.) dargelegt, kann der Strafrichter unabhängig von den Entscheidungen der FinB und der FG entscheiden und besitzt eine uneingeschränkte Vorfragenkompetenz, so dass der Stpfl. freigesprochen oder verurteilt werden kann. Das entbindet den Strafrichter aber nicht von eigenen Feststellungen. Das Gericht muss im Urteil den relevanten Sachverhalt und die Berechnung der verkürzten Steuern darstellen. Der bloße Hinweis auf den Betriebsprüfungs- oder Steuerfahndungsbericht reicht nicht aus.

Da in der Praxis die strafrechtlichen Vorwegverurteilungen durchaus keine Ausnahmeerscheinung darstellen, entsteht für den Stpfl. die zusätzliche Gefahr der ungeprüften Übernahme strafgerichtlicher Feststellungen durch die FG[2]. Das FG darf sich die Feststellungen des Strafurteils in tatsächlicher Hinsicht zu eigen machen. Zur Übernahme der vom FG für zutreffend erachteten Feststellungen und Beweiswürdigungen des Strafgerichts besteht insbesondere Anlass, wenn die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig ist[3]. Dies setzt jedoch voraus, dass die Feststellungen zur Überzeugung des FG zutreffend sind und die Beteiligten gegen die Verwendung keine substantiierten Einwendungen erhoben und entsprechende Beweisanträge gestellt haben, die das FG nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet lassen kann[4]. Summarisches Bestreiten reicht hierfür nicht aus. Des Weiteren zwingt substantiiertes Bestreiten nur einer von mehreren im Strafurteil festgestellten Tatsachen das FG nicht zu eigenen Feststellungen, sofern die anderen bestrittenen Tatsachen in Umfang und Gewicht ausreichen, die vom FG hieraus gezogenen rechtlichen Forderungen zu tragen[5]. Entscheidet der Strafrichter aufgrund seiner steuerlichen Kenntnisse ohne Aussetzung nach § 396 AO, dann kann dem Stpfl. steuerrechtlich ein Nachteil erwachsen, weil er die Verfahrensmöglichkeit, dass sich das FG das Strafurteil zu eigen macht, nur mit substantiierten Einwendungen und Beweisanträgen beeinflussen kann. Damit ist er nach der derzeitigen Praxis gezwungen, seine Rechte bereits umfassend im Strafverfahren geltend zu machen[6].

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