Rz. 7

[Autor/Stand] Die Anwendung des § 398a AO setzt zunächst eine Selbstanzeige voraus, die die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO erfüllt. Sie muss demnach insb. dem Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO genügen. Dies bedeutet, dass nicht nur die von dem Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 4 AO erfassten Steuerstraftaten, sondern alle unter den erweiterten Berichtigungsverbund des § 371 Abs. 1 AO fallenden Steuerstraftaten vollständig berichtigt werden müssen. Insoweit ist die Verlängerung der Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehungen im besonders schweren Fall zu berücksichtigen. Seit Inkrafttreten des JStG 2020 am 29.12.2020 beträgt die Verjährungsfrist der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1–6 AO) nunmehr fünfzehn Jahre. Erfasst werden sämtliche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht verjährten Taten. Da im Rahmen einer Selbstanzeige alle unverjährten Steuerstraftaten umfasst sein müssen, bedeutet die Verlängerung der Verjährungsfrist für besonders schwere Fälle, dass nunmehr Taten im Zeitraum von 15 Jahren zu berücksichtigen sind. Des Weiteren darf kein Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO vorliegen. Das Absehen von Strafverfolgung nach § 398a AO setzt somit als negative Tatbestandsvoraussetzung das Nichtvorliegen der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO voraus. Die Unwirksamkeit der Selbstanzeige darf sich vielmehr einzig aus der Verwirklichung des Sperrgrundes des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO (verkürzte Steuer von mehr als 25.000 EUR je Tat) oder des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO (besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2–5 AO) ergeben, wobei diese beiden Sperrgründe auch gleichzeitig verwirklicht sein können[2]. Ist die Selbstanzeige dagegen unvollständig oder wegen der kumulativen Verwirklichung eines weiteren Sperrgrundes nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 AO unwirksam, läuft § 398a AO leer[3].

 

Rz. 8

[Autor/Stand] Anders als bei der Bestimmung des Vollständigkeitserfordernisses des § 371 Abs. 1 AO (s. § 371 Rz. 220 ff.) ist der grundsätzliche Anwendungsbereich des § 398a AO bereits bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Betragsgrenze von 25.000 EUR (§ 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) eröffnet[5]. Hierfür spricht zunächst die Benennung einer absoluten Betragsgrenze. Im Übrigen hat der Gesetzgeber – anders als bei § 371 Abs. 1 AO – nicht zu erkennen gegeben, dass er auch bei der Betragsgrenze des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO Bagatellüberschreitungen als unbeachtlich zulassen wollte.

 

Rz. 9

[Autor/Stand] In den Fällen einer wirksamen Teilselbstanzeige nach § 371 Abs. 2a AO (Umsatzsteuervoranmeldung, Lohnsteueranmeldung, s. § 371 Rz. 205 ff.) tritt Straffreiheit abweichend von § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO in dem Umfang ein, in dem der Täter die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Da der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO in diesem Zusammenhang ausdrücklich keine Anwendung findet, ist bei Vorliegen einer wirksamen Teilselbstanzeige bzgl. Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen unabhängig von der Höhe der verkürzten Steuer kein Geldbetrag nach § 398a AO zu zahlen[7].

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[2] Kohler in MünchKomm/StGB3, § 398a AO 5.
[3] Vgl. Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117 (119); Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig2, § 398a AO Rz. 4.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[5] Hunsmann, BB 2011, 2519 (2522); Rolletschke in Rolletschke/Kemper, § 398a AO Rz. 16; Jäger in Klein15, § 398a AO Rz. 13.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[7] Schwartz, PStR 2015, 37 (40).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge