Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 146
Der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls kann sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen als unbegründet zurückgewiesen werden.
Rz. 146.1
In tatsächlicher Hinsicht ist der Antrag unbegründet, wenn er auf einer so unzureichenden Ermittlungsgrundlage beruht, dass der Richter einen hinreichenden Tatverdacht nicht annehmen kann (§ 408 Abs. 2 Satz 1 StPO) und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist bzw. eigene weitere Ermittlungen des Gerichts nicht geboten erscheinen.
Beispiel
Die FinB benennt als Zeugen für die vom Täter begangene Steuerhinterziehung jemanden, der im Wirtshaus gehört haben will, dass es beim Täter in steuerlicher Hinsicht "nicht mit rechten Dingen zugehe".
Ausnahmsweise kann der Richter einen Strafbefehlsantrag auch beim Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts ablehnen, wenn er gleichwohl nicht von der Schuld des Beschuldigten überzeugt ist und weiter sicher davon ausgeht, dass er sich eine solche Überzeugung auch nicht in einer Hauptverhandlung (z.B. mangels weitergehender Beweismittel) verschaffen kann.
Rz. 147
Aus rechtlichen Gründen ist der Antrag unbegründet, wenn die bezeichnete Tat unter kein Strafgesetz fällt. Weicht der Richter hingegen lediglich von der rechtlichen Beurteilung der im Antrag bezeichneten Tat ab, ohne allerdings zur Straflosigkeit zu gelangen, kann er den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nicht als unbegründet zurückweisen, sondern muss die Hauptverhandlung anberaumen (vgl. § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO). Gleiches muss auch für den Fall gelten, dass eine unangemessen hohe Strafe beantragt wird.
Rz. 148
Vor der Zurückweisung des Strafbefehlsantrags hat der Richter allerdings sorgfältig zu prüfen, ob bei Nichterweislichkeit einer Steuerstraftat oder bei Wegfall der Strafbarkeit aus Rechtsgründen die im Antrag bezeichnete Tat eine Steuerordnungswidrigkeit darstellt. Denn die rechtskräftige Zurückweisung des Strafbefehlsantrags hat zur Folge, dass ein Bußgeldverfahren dann nur noch aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel durchgeführt werden kann (§ 211 StPO analog). Liegt nur eine Steuerordnungswidrigkeit vor, muss der Richter die StA zur Zurücknahme ihres Antrags veranlassen oder eine Hauptverhandlung unter Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265 StPO) anberaumen. Im Fall der Zurücknahme des Antrags kann die FinB die Steuerordnungswidrigkeit selbst ahnden; andernfalls kann der Richter in der Hauptverhandlung durch Urteil eine Geldbuße verhängen.
Rz. 149
Ist der Antrag unbegründet, so weist der Richter ihn durch Beschluss zurück. Aus dem Beschluss muss hervorgehen, ob er auf tatsächlichen oder auf Rechtsgründen beruht (§ 408 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 204 Abs. 1 StPO). Der Beschluss ist sowohl der Ermittlungsbehörde bekannt zu machen (§ 411 StPO analog) als auch dem Angeschuldigten (§ 408 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 204 Abs. 2 StPO).
Der Ermittlungsbehörde steht im Fall der Zurückweisung das Recht der sofortigen Beschwerde gem. § 311 Abs. 2 StPO zu. Sieht sie davon ab oder wird die Beschwerde verworfen, erwächst der Beschluss in beschränkter Rechtskraft. Eine erneute Aufnahme des Verfahrens ist dann nur bei Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel zulässig (§ 408 Abs. 2 Satz 2, § 211 StPO).