Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 6
Die nähere verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Strafbefehlsverfahrens ist in den §§ 407–412 StPO geregelt.
Der Strafbefehl (§§ 407 ff. StPO) wird vom Richter im schriftlichen Verfahren erlassen. Der Richter entscheidet nach Aktenlage. Eine öffentliche Hauptverhandlung findet nicht statt. Der Strafbefehl steht einem Urteil gleich, d.h. der Angeklagte ist bestraft. Das Strafbefehlsverfahren als "summarisches" Verfahren unterscheidet sich vom Urteilsverfahren lediglich dadurch, dass es auf weniger zuverlässigen Erkenntnisquellen beruht. Aus dieser Natur des Strafbefehlsverfahrens folgt, dass es nur angewendet werden darf, wenn die schriftlichen Unterlagen schlüssig sind und als wahr angesehen werden können und der zugrunde zu legende Sachverhalt für die rechtliche Beurteilung der Tat, die Schuldfeststellung und die Strafzumessung ausreicht. Die gem. § 407 Abs. 2 StPO möglichen Rechtsfolgen können nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nur dann verhängt werden, wenn der Richter anhand der Aktenlage die Überzeugung gewonnen hat, dass sich der Angeschuldigte strafbar gemacht hat und die beantragte Strafe angemessen und ausreichend ist (vgl. § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO).
Rz. 7
Im Hinblick darauf, dass es beim Angeklagten liegt, ob er sich dem Strafbefehl unterwerfen oder Einspruch einlegen will, wird als Grundgedanke des Verfahrens zutreffend die Selbstunterwerfung angesehen. Eine gewisse Parallele zum früheren Unterwerfungsverfahren ist nicht zu übersehen. Es bestehen jedoch gewichtige Unterschiede. Anders als beim Unterwerfungsverfahren werden hier keine "vollendeten Tatsachen" geschaffen. Der Angeklagte entscheidet erst nach Erlass des Strafbefehls, ob er sich dem Spruch unterwerfen will. Besonders hervorzuheben sind aber die rechtsstaatlichen Sicherungen des Strafbefehlsverfahrens gegenüber dem früheren Unterwerfungsverfahren. So hat der Richter gem. § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO die Möglichkeit, bei Bedenken gegen den Erlass des Strafbefehls die Hauptverhandlung anzuberaumen. Der Angeklagte kann seinerseits die Hauptverhandlung durch Einlegung des Einspruchs erzwingen (§§ 410, 411 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Rz. 8
Über die Hälfte aller Anklagen und ca. drei Viertel der vor dem Strafrichter erhobenen öffentlichen Klagen werden durch Strafbefehlsantrag erhoben. 99 % der Strafbefehle werden antragsgemäß erlassen; davon werden etwa zwei Drittel ohne Einspruch rechtskräftig. Ähnliches gilt für den Bereich des Steuerstrafverfahrens.