Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 3
Die Vorschrift erweitert die Befugnisse der FinB im Steuerstrafverfahren, wenn sie in eigener Zuständigkeit das Steuerstrafverfahren führt (§ 386 Abs. 2, § 399 AO), und entlastet damit im Ergebnis die StA. Aufgrund des (überwiegenden) Sanktionscharakters der in § 401 AO genannten Folgen hat die Regelung – ebenso wie § 400 AO – nicht nur klarstellende Bedeutung. Die in § 401 AO genannten Befugnisse ergeben sich nicht zwangsläufig aus den Ermittlungskompetenzen der FinB.
Ergänzt wird § 401 AO durch § 406 Abs. 2 AO (s. § 406 Rz. 2). Danach sind der FinB die Rechte und Pflichten der StA sogar noch nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch die Stellung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Verfahrens eingeräumt, solange nicht die mündliche Verhandlung beantragt oder vom Gericht angeordnet wird.
Rz. 4
§ 401 AO ist im Kontext eines komplexen Verweisungsgeflechts zwischen Normen der AO, der StPO und des StGB zu sehen. In der Regel nimmt die FinB im Ermittlungsverfahren wegen einer Steuerstraftat die Stellung der StA ein. Sie ist befugt, die Ermittlungen selbständig durchzuführen (§ 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO). Wegen des Evokationsrechts der StA (§ 386 Abs. 4 Satz 2 AO) und deren Zuständigkeit bei sog. Zusammenhangstaten darf diese Selbständigkeit allerdings nicht zu hoch veranschlagt werden. Ist das Ermittlungsverfahren abgeschlossen, endet grds. auch die Befugnis der FinB zu selbständiger prozessualer Tätigkeit. Das weitere Verfahren – beginnend mit der Anklageerhebung – wird von der StA betrieben.
Rz. 5
Dieser Grundsatz kennt nur zwei Ausnahmen für einen eigenständigen Verfahrensabschluss durch die FinB:
- Die FinB kann selbständig den Erlass eines Strafbefehls gegen eine bestimmte Person beantragen (§ 400 AO). Dieser Antrag kann dabei auch auf die Einziehung oder die Verhängung einer Verbandsgeldbuße als Nebenfolgen der Tat erstreckt werden (§ 407 Abs. 2 Nr. 1 StPO).
- Die FinB kann ferner beantragen, die Einziehung selbständig anzuordnen (§ 401 Alt. 1 AO) oder eine Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung selbständig festzusetzen (§ 401 Alt. 2 AO).
Rz. 6
Das selbständige Verfahren gem. § 401 AO kommt für die FinB dann in Betracht, wenn eine Verfolgung des Täters im subjektiven Verfahren durch Strafbefehlsantrag (§ 400 AO) oder eine Abgabe an die StA zum Zwecke der Anklageerhebung unterbleibt (zu den Gründen s. Rz. 31 ff. und 64 ff.). Die Anordnung der selbständigen Maßnahmen ist damit ohne gleichzeitige Verurteilung des Täters möglich.
Rz. 7
Die Antragsbefugnis der FinB nach § 401 AO besteht nur dann, wenn es sich bei der Anlasstat, die nicht geahndet wird, um eine reine Steuerstraftat bzw. -ordnungswidrigkeit oder eine Analogtat i.S.v. § 369 Abs. 1 AO handelt (s. § 386 Rz. 53, 55).
Sie bezieht sich auch nur auf die in § 401 AO genannten "Nebenfolgen", also Einziehung und Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung, nicht aber z.B. auf das Fahrverbot (§ 44 StGB), die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) oder das Berufsverbot (§ 71 Abs. 2 StGB).
Rz. 8
Zuständig für die Antragstellung ist die in eigener Zuständigkeit nach § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO tätige BuStra, nicht aber die Steuer- und Zollfahndung (s. § 404 Rz. 288).
Rz. 9
Die Befugnis zu selbständigem prozessualen Handeln endet, sobald im Strafbefehlsverfahren die Hauptverhandlung anberaumt oder gegen den Strafbefehl Einspruch erhoben (§ 406 Abs. 1 AO) bzw. im objektiven Verfahren die mündliche Verhandlung beantragt oder vom Gericht angeordnet wird (§ 406 Abs. 2 AO). Ab diesem Zeitpunkt ist die FinB auf die Mitwirkungsrechte gem. § 407 AO beschränkt (s. dazu die Erl. zu § 407).
Rz. 10
In der Praxis findet die Bestimmung vor allem bei Schmuggeldelikten Anwendung, da die HZÄ in diesen Fällen trotz der Möglichkeit des Einziehungsverfahrens nach § 394 AO das letztlich doch verfahrensökonomischere selbständige Verfahren bevorzugen (s. § 394 Rz. 10). Auch die Bedeutung der Unternehmensgeldbuße bei Steuerhinterziehungen und damit zusammenhängenden Korruptionsdelikten hat beachtlich zugenommen, wie die jüngsten Verdikte, z.B. in den sog. Banken-Verfahren, zeigen (s. Rz. 69, 78).