Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersversorgung;. Verzicht. Mitbestimmung. Verwirkung
Leitsatz (amtlich)
1. Erlassverträge über Versorgungsanwartschaften sind in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich zulässig.
2. Es bleibt offen, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, wenn der Arbeitgeber mit allen seinen Arbeitnehmern gleichlautende Erlassverträge abschließt, um seine Versorgungslasten zu reduzieren, die aus einer nicht durch Betriebsvereinbarung abgesicherten Gesamtzusage stammen. Ein solches Mitbestimmungsrecht würde allenfalls durch dadurch herbeigeführte Änderungen ausgelöst, die die Verteilungsgrundsätze betreffen und nicht durch eine Reduzierung des Dotierungsrahmens.
3. Betreffen die durch die generellen Erlassverträge herbeigeführten Änderungen sowohl den Dotierungsrahmen als auch die Verteilungsgrundsätze, so würde ein Mitbestimmungsverstoß nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber den alten Dotierungsrahmen zur Verfügung stellen muss. Auf eine dennoch verbleibende Unwirksamkeit der Erlassverträge kann sich jedenfalls der Arbeitnehmer nicht berufen, der – auf der Grundlage des gekürzten Dotierungsrahmens – durch die geänderten Verteilungsgrundsätze allenfalls einen Vorteil erlangt und keinesfalls benachteiligt wird.
4. Das Recht, die auf Verletzung des Mitbestimmungsrechts beruhende Unwirksamkeit einer eigenen Willenerklärung geltend zu machen, kann verwirken.
Normenkette
BetrAVG § 3; BGB § 397; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 2; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 19.12.2000; Aktenzeichen 13 Ca 6388/00) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 19.12.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 13 Ca 6388/00 – abgeändert:
Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 24.02.1953 geborene Klägerin streitet mit dem beklagten Pensionssicherungsverein über die Höhe der ihr im Versorgungsfall zu zahlenden Altersrente. Sie war von August 1968 bis August 1992 bei der Fa. F. Möbelwerke GmbH & Co. KG beschäftigt, die eine Versorgungszusage in Form einer Gesamtzusage erteilt hatte. In der Fassung von Dezember 1971 sah diese für jedes rentenfähige Dienstjahr eine Altersrente von 0,8 % des rentenfähigen Arbeitsverdienstes vor, höchstens jedoch 20 % (Bl. 22 ff.). Mit einem an alle betroffenen Arbeitnehmer gerichteten Schreiben vom 14.10.1981 (Bl. 5) nahm die Arbeitgeberin insoweit„aufgrund einer wirtschaftlichen Analyse (…) nach eingehender Information des Betriebsrates und der für das Unternehmen zuständigen Gewerkschaft” Änderungen an der Versorgungszusage vor: Sie senkte den Steigerungsbetrag auf 0,4 % und die Obergrenze auf 10 %. Das Schreiben enthält am Ende folgenden von der Klägerin unter dem 12.11.1981 unterschriebenen Text:„Von der Änderung der Bemessungsgrundlage meiner Versorgungszusage vom Dezember 1971 sowie der Herabsetzung des prozentualen Steigerungssatzes von 0,8 % auf 0,4 % bzw. für den Fall einer Witwenrente von 0,5 % auf 0,2 % des rentenfähigen Arbeitsverdienstes habe ich Kenntnis genommen und stimme dieser Maßnahme zu.” Am 31.08.1992 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Konkursverfahren eröffnet; die Klägerin schied aus. Im April 1993 stellte der Beklagte der Klägerin einen Anwartschaftsausweis aus, der die geänderten Werte zugrunde legte und so einen Anspruch in Höhe von 244,30 DM errechnete. Mit Schreiben vom 12.05.2000 machte die Klägerin erstmals gegenüber dem Beklagten geltend, die Änderung der Versorgungszusage durch Schreiben der Arbeitgeberin vom 14.10.1981 sei unwirksam. Sie behauptet, die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat nicht beteiligt und sie zur Unterschrift durch den Hinweis auf einen drohenden Arbeitsplatzverlust genötigt. I. ü. beziehe sich ihre unter das Schreiben gesetzte Zustimmung nur auf die Halbierung des. Steigerungssatzes und nicht auch auf die der Obergrenze.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, bei Eintritt des Versorgungsfalles mit Vollendung ihres 65. Lebensjahres an sie 488,65 DM je Monat zu zahlen;
- den Beklagten zu verurteilen, ihr einen Anwartschaftsausweis entsprechend Antrag zu 1. auszustellen und zu übersenden.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, es spreche ein erster Anschein dafür, daß der Betriebsrat seinerzeit zugestimmt habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter und meint, eine Beteiligung des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin bei Änderung der Versorgungszusage sei nicht erforderlich gewesen, da die Verteilungsgrundsätze nicht geändert worden seien, sondern lediglich der Dotierungsrahmen. Jedenfalls – so behauptet der Beklagte – sei der Betriebsrat seinerzeit mit der Änderung der Versorgungszusage und den Verzichtsvereinbarungen zwischen den Arbeitnehmern und der Arbeitgeberin einverstanden gewesen. Selbst wenn die Änderungen mangels Beteiligung des Be...