Leitsatz (amtlich)
1.
Ergibt sich schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers, dass die Voraussetzungen dies gesetzlichen Kündigungsschatzes offensichtlich nicht erfüllt sind und liegt ohne die Rechtsbehauptung des Arbeitnehmers, er unterfalle dem gesetzlichen Kündigungsschutz, ein et-et- oder aut-aut-Fall vor, bei dem es auf die Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens ankommt, ist die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nicht bereits durch die Rechtsbehauptung des Klägers begründet. Vielmehr ist in diesen Fällen maßgeblich, ob der Kläger seine Arbeitnehmereigenschaft zumindest schlüssig vorgetragen hat.
2.
Zum schlüssigen Vortrag der Arbeitnehmereigenschaft bei einem „freien Mitarbeitervertrag”, der Freiheiten vorsieht, die durch eine am gleichen Tag abgeschlossene Ergänzungsvereinbarung in wesentlichen Punkten eingeschränkt sind.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b
Verfahrensgang
ArbG Lüneburg (Urteil vom 24.09.1999; Aktenzeichen 1 Ca 1330/99) |
Tenor
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 24.09.1999 (1 Ca 1330/99) wird auf die sofortige Beschwerde der Klägerin abgeändert. Das Arbeitsgericht ist zuständig.
Die weitere sofortige Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten in der Hauptsache um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Der Beklagte betreibt unter der Firma … in … sowie in … zwei Einzelhandelsgeschäfte mit Tonträgern und Spielen. In … … beschäftigt er zwei Mitarbeiter, in … die Klägerin seit dem 01.05.1998 sowie eine Aushilfskraft. Daneben ist der Beklagte Geschäftsführer der … in … die mindestens 10 Angestellte beschäftigt.
Die Parteien vereinbarten unter dem 01.05.98 einen sog. „freien” Mitarbeitervertrag”. Danach besteht die Aufgabe der Klägerin in der „Organisation und Abwicklung des Vertriebes von Tonträgern, Spielen u.ä. Produkten im Einzelhandel” (§ 1). Nach § 2 erhält sie dafür ein monatliches Honorar in Höhe von mindestens 2.000,– DM zuzüglich Umsatzsteuer. Für Umsätze, die monatlich den Betrag von 20.000,– DM (netto, ohne Umsatzsteuer) übersteigen, verpflichtet sich der Beklagte zur Zahlung einer Provision in Höhe von 10 % dieser 20.000,– DM übersteigenden Umsätze nach Vorlage der entsprechenden Rechnung. Die Klägerin verpflichtete sich, einen Gewerbebetrieb anzumelden und Steuern sowie Sozialversicherungsbeträge selbst abzuführen. Nach § 3 des Vertrages darf die Erfüllung der vertraglichen Leistung der Klägerin im Büro des Beklagten oder an anderen Orten erfolgen, wenn es der Auftragsabwicklung dient. § 4 sieht vor, dass dem Beklagten kein Weisungsrecht gegenüber der Klägerin aufgrund dieses Vertrages zusteht und die Klägerin ihrerseits gegenüber Angestellten des Beklagten ebenfalls nicht weisungsbefugt ist. Nach § 5 ist die Klägerin zudem befugt, ihre Arbeitszeit nach freiem, pflichtgemäßen Ermessen einzusetzen; an eine regelmäßige Arbeitszeit ist sie nicht gebunden. § 6 sieht vor, dass die Klägerin in der Wahl des Arbeitsortes frei ist und nur einen halben Tag wöchentlich nach Absprache präsent sein muss. Nach § 9 ist der Klägerin das Recht eingeräumt, Nebentätigkeiten, gleich welcher Art, auszuüben.
Ebenfalls unter dem 01.05.98 einigten sich die Parteien auf eine Ergänzung zu dem „freien Mitarbeitervertrag”. Die Vereinbarung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
- „Frau … und/oder die ihr zugestandene Aushilfskraft ist zu den üblichen Öffnungszeiten (Mo. – Fr. 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr, Sa. 10.00 – 13.00 Uhr) im Verkaufslokal in der … anwesend. Einer etwa erforderlichen Verschiebung der Öffnungszeiten wird sich Frau … flexibel anpassen. Eine Ausweitung der Öffnungszeiten ist neu zu regeln.
- Frau … wird eine Aushilfskraft auf Kosten des Vertragspartners zu 1) bis 590,– DM pro Monat zugestanden. Sofern der durchschnittliche Monatsumsatz eines abgelaufenen Quartals 60.000,– DM (ohne Umsatzsteuer) übersteigt, wird ab Beginn des darauf folgenden Quartals eine weitere Aushilfskraft bis 590,– DM pro Monat bewilligt. Frau kann die Aushilfskräfte für das Verkaufslokal selbst aussuchen und besitzt – entgegen § 4 Abs. 2 des Vertrages – diesen gegenüber volle Weisungsbefugnis.
- Eine Konkurrenztätigkeit zu den Aktivitäten im Zusammenhang mit … ist nicht gestattet….”
Der Beklagte kündigte das Beschäftigungsverhältnis am 04.07.1999 fristlos. Mit der am 14.07.1999 zugegangenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 04.07.1999 zum 03.07.1999 nicht beendet worden ist, sondern über diesen Zeitpunkt zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. In der Begründung hat sie u. a. geltend gemacht, die Kündigung sei auch sozial ungerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 24.09.1999 ohne mündliche Verhandlung den Rechtsstreit an das Amtsgericht … verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei als freie Mitarbeiterin bei dem Beklagten beschäftigt gewesen und damit keine Arbeitnehmerin gemäß § 2 ArbGG. Maßgebend sei ihr schriftlicher Vertrag vom 01.05.19...