Tenor

Es wird festgestellt, dass das selbständige Beweisverfahren seit dem 01.10.2000, 8.00 Uhr, unterbrochen ist.

 

Gründe

Nach § 240 Satz 1 ZPO wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Vorliegend wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 01.10.2000 – 51 IN 86/00 – über das Vermögen des Antragsgegners am 01.10.2000 um 8.00 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet. Infolgedessen ist das selbständige Beweisverfahren, da es die Insolvenzmasse betrifft, seit diesem Zeitpunkt unterbrochen. Weder wurde es seither nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen, noch ist das Insolvenzverfahren beendet. Die Frage, ob das selbständige Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO) durch die Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens unterbrochen wird, wird in Rechtsprechung und Schrifttum divergierend beantwortet. Teils werden § 240 ZPO für unanwendbar gehalten und eine Unterbrechung verneint (OLG Hamm NJW-RP 1997, 723 (724) [Gesamtvollstreckung]; LG Frankfurt BauR 1995, 585 (586); Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Auflage, Rn. 6; Schreiber, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Auflage, § 485, Rn. 19; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 59. Auflage, Übers § 485, Rn. 4 u. § 249, Rn. 3. Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, 22. Auflage, Vor § 485, Rn. 6; Thomas/Putzo ZPO, 22. Auflage, Vorbem § 485, Rn. 2; van Zwoll WiB 1997, 925; Maas IBR 1997, 305; Holzer EWiR 1997, 431 f.), teils werden die Anwendbarkeit des § 240 ZPO und eine Unterbrechung bejaht (OLG Hamburg ZInsO 2001, 132; Feiber, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Auflage, § 239, Rn. 7 u. § 240, Rn. 3; Stein-Jonas/Roth, ZPO, 21. Auflage, vor § 239 I, Rn. 2). Soweit § 240 ZPO im selbständigen Beweisverfahren für unanwendbar gehalten wird, wird dies mit dem Sinn und Zweck der §§ 485 ff. ZPO begründet, die die Möglichkeit einer schnellen Beweissicherung und die rasche und kostengünstige Klärung tatsächlicher Vortragen bieten sollen, um ohne einen anschließenden Rechtsstreit eine Einigung zu ermöglichen. Das reicht jedoch nicht aus, um die allgemeine Vorschrift des § 240 ZPO für nicht einschlägig zu erachten. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es dem neueren Verständnis entspricht, das selbständige Beweisverfahren, mehr als das frühere Beweissicherungsverfahren, wie ein Urteilsverfahren zu behandeln, so z.B. in den Fragen der Streitverkündung und der Ablehnung von Sachverständigen (OLG Hamburg, a.a.O.).

Des Weiteren darf nicht verkannt werden, dass § 240 ZPO für alle kontradiktorischen Verfahren gilt und das Gesetz für die §§ 485 ff. ZPO eine Ausnahme von den Vorschriften über die Unterbrechung des Verfahrens nicht vorsieht (Feiber, a.a.O.). Der Eilcharakter des selbständigen Beweisverfahrens ist ebenfalls kein Argument gegen die Anwendung der Unterbrechungsvorschrift des § 240 ZPO, weil das selbständige Beweisverfahren gewiss nicht eiliger ist als etwa das Arrest- oder das einstweilige Verfügungsverfahren, bei denen § 240 ZPO nach allgemeiner Ansicht ohne Weiteres Anwendung findet (OLG Hamburg, a.a.O.; Feiber, a.a.O.). Schließlich lässt sich der vom Gesetzgeber angestrebte Zweck des selbständigen Beweisverfahrens, eine gütliche Beilegung des Streits zu fördern (vgl. § 485 II 2 ZPO), eher mit dem Insolvenzverwalter als mit dem zahlungsunfähigen oder überschuldeten Schuldner erreichen, dem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen mehr zusteht. Auch dieser Umstand spricht somit für die Anwendbarkeit des § 240 ZPO und somit für die Unterbrechung des Verfahrens.

 

Fundstellen

NJW-RR 2002, 266

KTS 2001, 579

MDR 2001, 958

NZI 2001, 603

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