Rn. 169
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Das Ziel des Gesetzgebers, das er mit Einfügung von § 15 Abs 3 Nr 2 EStG durch Art 7 des StBereinG 1986 (BGBl I 1985, 2436) – und der Streichung des § 2 Abs 2 Nr 1 GewStG – in erster Linie verfolgte, bestand darin, die vom BFH aufgegebene Gepräge-Rspr (s Rn 165) mit Rückwirkung gesetzlich zu kodifizieren (so BR-Drucks 165/85; BR-Drucks 10/3663, 1; BT-Drucks 10/4513, 22); eine Erweiterung des Kreises der betroffenen Gesellschaften über die bisherige Rspr hinaus war nicht beabsichtigt und im Hinblick auf die vorgesehene Rückwirkung auch verfassungsrechtlich nicht möglich (BT-Drucks 10/3663, 10). Mit einer gesetzlichen Dauerregelung sollte das Übergangsproblem bewältigt werden, das darin bestand, sog "windfall-profits" zu vermeiden und künftige Veräußerungsgewinne bzw Gewinne aus der Auflösung negativer Kapitalkonten, die infolge zuvor mit steuerrechtlicher Wirkung anerkannter Verluste entstanden waren, der Besteuerung zu unterwerfen (s Rn 166 letzter Absatz). Die rückwirkende Wiedereinführung der Gepräge-Rspr war nach Ansicht des BFH verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BFH BStBl II 1996, 93; 1986, 811), auch nicht die Einbeziehung in die GewStPfl (BFH v 20.11.2003, BStBl II 2004, 464).
In zweiter Linie sollten mit Blick auf die Zukunft wohl auch die Probleme einer doppelten Ergebnisermittlung bei der Umqualifizierung und Umrechnung der anteiligen Einkünfte von an vermögensverwaltenden PersGes beteiligten KapGes vermieden werden (BT-Drucks 10/3663, 6 und Bordewin, BB 1985, 1548, 1554); da diese Probleme aber bei nicht gewerblich geprägten vermögensverwaltenden PersGes weiterhin bestehen und auch lösbar sind (s Rn 164), war dieser Gesichtspunkt irrelevant. Zudem sollten "sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten" erhalten bleiben; unter die Letzteren wurde im Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit gezählt, Grundstücke zum Buchwert aus einem Gewerbebetrieb in eine gewerblich geprägte PersGes einzubringen mit der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr 1 S 2 GewStG (Kreile, DStZ 1986, 4, 8), was voraussetzt, dass es sich bei der gewerblich geprägten PersGes um ein gewerbliches Unternehmen iSd § 2 Abs 1 S 2 GewStG handelt: dazu s BFH v 20.11.2003, BStBl II 2004, 464.
Drittens war es gesetzgeberische Absicht, sicherzustellen, "dass gleichartige und in gleicher Rechtsform ausgeübte Tätigkeiten steuerrechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden" (so BT-Drucks 10/3663, 6; vgl auch Bordewin, BB 1985, 1548, 1553): verfehlt, insb s Rn 176 ff zu (e).
Die erklärte Absicht des Gesetzgebers, bei der gesetzlichen Kodifizierung nicht über die zuvor geltende Gepräge-Rspr des BFH hinauszugehen, hat bei ihrer praktischen Umsetzung dazu geführt, dass das Gepräge-Gesetz restriktiver ausgefallen ist als die vorherige Gepräge-Rspr. Die unter Gesichtspunkten der Praktikabilität erforderliche Ausrichtung der gesetzlichen Regelung auf konkrete Merkmale im Gegensatz zu einer beweglichen Rspr, die auf das jeweils zu beurteilende "Gesamtbild" abstellen kann, hat bewirkt, dass zB über die Variation eines konkreten Merkmals (der Geschäftsführungsbefugnis) die gewünschte Einkunftsart herbeigeführt werden kann (s Rn 174b und s Rn 176b; über die Gepräge-Rspr hinausgehend).
Zu der Chance (Gestaltungsmöglichkeit zur AfA-Generierung) bzw der Gefahr eines Wechselbades zwischen Gewerblichkeit und Vermögensverwaltung (Besteuerung der stillen Reserven infolge Betriebsaufgabe) s Rn 174b und s Rn 176b.
Eine Übersicht über denkbare Gestaltungen zur Vermeidung gewerblicher Prägung von vornherein gibt s Rn 178.
Das Gepräge-Gesetz ermöglicht in seiner Ausgestaltung für gleichartige und in gleicher Rechtsform ausgeübte Tätigkeiten, sicher ungewollt, letztlich den "Gewerbebetrieb auf Antrag" (vgl ua Stadie, FR 1987, 485; Bordewin, BB 1985, 386; Herzig/Kessler, DStR 1986, 451, 456; Schulze-Osterloh, DStZ 1985, 315, 319). Auch das unter "drittens" genannte gesetzgeberische Ziel muss somit als verfehlt angesehen werden. Dessen ungeachtet führt der BFH v 13.07.2017, BStBl II 2017, 1126 (zur gewerblichen Prägung der Einheits-GmbH & Co KG) unbeirrt aus:
"§ 15 Abs 3 Nr 2 EStG sollte … bewusst für die Zukunft die sog Gepräge-Rspr wiederherstellen, beispielsweise um eine zweifache Ergebnisermittlung zu vermeiden (BT-Drucks 10/3663, 6) oder um sinnvolle Gestaltungen zu erhalten (BFH v 20.11.2003, IV R 5/02, BStBl II 2004, 464 unter I.1.d)."
Bei Prüfung der Unternehmensidentität für Zwecke der GewSt gelten für originär gewerblich tätige wie für nur fiktiv gewerblich geprägte PersGes die gleichen Grundsätze: BFH v 30.10.2019, BStBl II 2020, 147 Rz 30–32.