Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 163
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Scheinbestandteile sind Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt oder mit dem Grund und Boden verbunden wurden (§ 95 Abs 1 S 1, Abs 2 BGB), sowie Gebäude oder andere Werke, die in Ausübung eines dinglichen Rechts (Erbbraurecht, Nießbrauch) eines an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden wurden (§ 95 Abs 1 S 2 BGB). Scheinbestandteile sind zwar körperlich Bestandteil des Grundstücks, zivilrechtlich und steuerlich behalten sie jedoch ihre Selbstständigkeit und stellen selbstständige, bewegliche WG dar (Bsp entfernbare nichttragende Trennwände, BFH v 31.07.1997, III R 247/94, BFH/NV 1998, 325), wenn sie nicht selbst Gebäude sind.
Zu den Scheinbestandteilen gehören insb vom Vermieter oder Verpächter zur Erfüllung besonderer Bedürfnisse des Mieters oder Pächters eingefügte Anlagen, deren Nutzungsdauer nicht länger als die Laufzeit des Vertragsverhältnisses ist, sowie die vom Mieter oder Pächter für seine Zwecke selbst eingefügten Bestandteile (R 7.1 Abs 4 EStR 2012).
Eine Verbindung zu einem nur vorübergehenden Zweck ist nach Auffassung der FinVerw anzunehmen, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind (BMF v 15.01.1976, BStBl I 1976, 66 Tz 1; H 7.1 EStH 2018):
(1) |
die Nutzungsdauer der eingefügten beweglichen Sachen überschreitet die Dauer, für die sie eingebaut wurden (zB Mietdauer), |
(2) |
den eingefügten Sachen ist nach Ausbau noch ein beachtlicher Wiederverwendungswert beizumessen, |
(3) |
schon bei Vornahme der Einfügung ist die spätere Entfernung gewollt oder nach Art und Zweck der Verbindung zu erwarten, dass sie später wieder entfernt wird. |
Der II. Senat des BFH nimmt abweichend hiervon Scheinbestandteile zutreffend ebenso an, wenn eine mieterseitige Verpflichtung besteht, die eingefügte Sache bei Beendigung des Mietverhältnisses zu entfernen (Herstellung des ursprünglichen Zustands), auch wenn dies nur unter Zerstörung der Sache möglich ist (BFH v 09.04.1997, II R 95/94, BStBl II 1997, 452; abweichend BFH v 14.8.2006, III B 171/05, BFH/NV 2006, 2307: kein Scheinbestandteil, wenn Folge des Ausbaus Zerstörung bis an die Grenze des Schrottwerts ist; vgl auch FG Köln v 07.09.2005, 13 K 6449/03, EFG 2005, 1918 rkr).
Die gesetzlich bestimmte Scheinbestandteilsqualität von Gebäuden oder anderen Werken, die in Ausübung eines dinglichen Rechts auf fremdem Grund und Boden erstellt wurden (§ 95 Abs 1 S 2 BGB), ist von der Erwägung getragen, dass derjenige, der in Ausübung eines dinglichen Rechts ein Gebäude oder andere Werke mit dem Grundstück (oder einem wesentlichen Bestandteil des Grundstücks) verbindet, idR nicht das Grundstück auf Dauer verbessern will (vgl Stresemann in MüKomm BGB, Bd 1, § 95 Rz 22 (7. Aufl 2015)). Rechte an einem fremden Grundstück iSd § 95 Abs 1 S 2 BGB sind ausschließlich dingliche, dem Eintragungserfordernis ins Grundbuch (§ 873 Abs 1 BGB) unterliegende Rechte (zB Erbbaurecht, § 12 ErbbauVO), nicht hingegen obligatorische Rechte (zB Pacht, §§ 581ff BGB), BFH v 10.03.1970, II R 135/68, BStBl II 1970, 522.
Verbindet ein schuldrechtlich nutzungsberechtigter Nichteigentümer (Bsp Mieter) Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach st Rspr eine – widerlegbare – tatsächliche Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem nur vorübergehenden Zweck iSd § 95 Abs 1 S 1 BGB erfolgt (vgl BGH v 31.10.1952, V ZR 36/51, NJW 1953, 137; BGH v 04.07.1984, VIII ZR 270/83, NJW 1984, 2878; BGH v 20.05.1988, V ZR 269/86, NJW 1988, 2789). Diese Vermutung wird nicht schon durch eine massive Bauart des Bauwerks, die eine Entfernung ohne Zerstörung nicht zulässt oder eine lange Dauer des Nutzungsvertrages entkräftet (BGH v 31.10.1952, V ZR 36/51, NJW 1953, 137; BGH v 27.05.1959, V ZR 173/57, NJW 1959, 1487; BGH v 04.07.1984, VIII ZR 270/83, NJW 1984, 2878; BGH, v 22.12.1995, V ZR 334/94, NJW 1996, 916; BFH v 09.04.1997, II R 95/94, BStBl II 1997, 452; BFH v 14.01.2004, IX R 54/99, BFH/NV 2004, 1088). Die Rspr hat insb angenommen, dass ein vom Mieter/Pächter eines Grundstücks errichtetes massives Gebäude nicht in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergeht, wenn der Miet-/Pachtvertrag bestimmt, dass der Mieter/Pächter die von ihm errichteten Gebäude nach Beendigung des Miet-/Pachtverhältnisses zu entfernen und den früheren Zustand wiederherzustellen hat (BGH v 31.10.1952, V ZR 36/51, NJW 1953, 137 mwN; BFH v 09.04.1997, II R 95/94, BStBl II 1997, 452).
Ein Trennungswille des Erbauers muss mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen, der tatsächliche Vollzug einer Trennung von Beginn an tatsächlich gewollt sein (BGH v 04.07.1984, VIII ZR 270/83, NJW 1984, 2878; BFH v 24.11.1970, VI R 143/69, BStBl II 1971, 157; BFH v 090.4.1997, II R 95/94, BStBl II 1997, 452; BFH v 28.10.1999, III R 55/97, BStBl II 2000, 150). Die Erwägung der bloßen Möglichkeit einer späteren Beseitigung ist nic...