Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1381
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
§ 6 Abs 3 EStG ist dem Wesen nach eine Bewertungsnorm zur Verhinderung einer Gewinnrealisierung bei interpersonellem Transfer stiller Reserven. Sie findet Anwendung bei der Übertragung von Sachgesamtheiten.
Nach S 1 des § 6 Abs 3 EStG ist eine Buchwertfortführung (sog Buchwertprivileg) möglich, wenn eine Sachgesamt (dh ein Betrieb, Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb) unentgeltlich übertragen wird, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.
Letztgenannte Voraussetzung wurde durch BEPS-UmsetzungsG I v 20.12.2016 (BGBl I 2016, 3000 Anwendung ab VZ 2017, s vor § 1 Rn 225 (Bitz)) ins Gesetz eingefügt (s Rn 1439). Im Grundsatz führt der § 6 Abs 3 S 1 Hs 1 EStG ab 1999 den bis dahin gültigen § 7 Abs 1 EStDV aF wort- und inhaltsgleich weiter, so dass die die Rspr zur Vorgängernorm insoweit ihre Gültigkeit behält; besondere Übergangsvorschriften enthält BMF v 03.03.2005, BStBl I 2005, 458 unter Rz 23f. Für VZ ab 2001 (UntStFG v 20.12.2001, BGBl I 2001, 3858, s vor § 1 Rn 147 (Bitz)) werden im 2. Hs im Interesse einer Klarstellung die Spezialfälle der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein Einzelunternehmen sowie die unentgeltliche Übertragung eines Teil-Mitunternehmeranteils gesetzlich geregelt. Auch diese Übertragungen sind ohne Aufdeckung der stillen Reserven möglich, wenn sie unentgeltlich erfolgen und die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist (BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Rz 1 und 11).
S 2 des § 6 Abs 3 EStG enthält eine Sondervorschrift zur Erleichterung der interfamiliären Unternehmensnachfolge. Nach dieser Regelung ist eine Übertragung zu Buchwerten nach S 1 in den Fällen, in denen der bisherige Betriebsinhaber (Mitunternehmer) WG nicht überträgt, die weiterhin zum BV derselben Mitunternehmerschaft gehören, gleichwohl möglich, sofern der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nicht veräußert oder aufgibt.
S 3 des § 6 Abs 3 EStG stellt abschließend klar, dass der Rechtsnachfolger an die in S 1 genannten Werte (Buchwerte) gebunden ist. Durch diese Bindung des Rechtsnachfolgers an die Buchwerte des Rechtsvorgängers werden die stillen Reserven verlagert. Folglich kommt es zu einer Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips.
Dazu im Einzelnen:
Rn. 1382
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Inhaltlich bezieht sich der Regelungsgehalt auf sog Sachgesamtheiten im Gegensatz zu Einzel-WG. Insofern liegt eine eindeutige und gewollte Parallelität zu § 20 Abs 1 S 1, § 24 Abs 1 UmwStG sowie (teilweise) § 16 Abs 3 S 2 EStG (Realteilung) vor.
Als Sachgesamtheit gilt allerdings nicht die 100 %ige Beteiligung an einer KapGes (BFH v 20.07.2005, X R 22/02, BFH/NV 2005, 2111).
Rn. 1383
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Gegenüber den beiden Vorschriften des UmwStG setzt allerdings § 6 Abs 3 EStG die unentgeltliche Übertragung voraus, die aus steuerlicher Sicht weder die Voraussetzungen einer Veräußerung, Aufgabe einer Sachgesamtheit noch den Tatbestand der Entnahme erfüllt. Vielmehr wird die Sachgesamtheit durch den Übernehmer fortgeführt, so dass eine Aufdeckung der stillen Reserven beim Übergeber nicht erfolgt. Die unentgeltliche Übertragung ist auch von den gesellschaftsrechtlichen Einbringungsvorgängen abzugrenzen, die nach allgemeiner Auffassung als ein entgeltliches Geschäft ("tauschähnlich" s Rn 201 und 706) gesehen wird. Zu den unentgeltlichen Übertragungen iSd Abs 3 gehören nach dem Wortlaut der Regelung lediglich rechtgeschäftliche Übertragungen, dh Schenkungen, unentgeltliche Übertragungen iRd vorweggenommenen Erbfolge, Herausgabe an einen Vermächtnisnehmer, darüber hinaus subsumiert die Rspr auch den Erbfall unter den Anwendungsbereich der Norm (Uhl-Ludäscher in H/H/R, § 6 EStG Rz 1206 (08/2021)).