Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 260
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Herstellung lässt sich von der Anschaffung systematisch leicht abgrenzen: Anschaffung ist ein Vorgang zum Erwerb bestehender WG, Herstellung einer zur Neuschaffung eines so bislang noch nicht vorhandenen WG (s A/D/S, § 255 HGB Rz 127, 6. Aufl; BFH BStBl II 1988, 1009/1010; s Rn 153). Diese Neuschaffung kann auch in Form einer Erweiterung (s Rn 277ff) oder einer wesentlichen Verbesserung (s Rn 571–573) bestehen. Die Anschaffung setzt also notwendig eine zeitlich vorhergehende Herstellung voraus. Anschaffen kann man nur etwas bereits Vorhandenes (vgl BFH v 17.10.2001, BFH/NV 2002, 700.
Anschaffungs- und Herstellungsvorgang sind zumindest bei der industriellen Produktion und im Bereich des Handwerks fast zwingend miteinander verwoben (BFH BStBl II 1983, 559). Eine eigentliche Urproduktion (reine Herstellung) ist heute praktisch nicht mehr denkbar, jede Schaffung von Erzeugnissen (Herstellung) bedarf notwendig des Bezuges von Vorleistungen in Form von Material, aber auch von Subunternehmerleistungen; Letztere werden dann für den Produktionsprozess (Herstellung) angeschafft. Am ehesten bei Beratungs-Dienstleistungen kommen reine Herstellungsprozesse zur Durchführung, zumindest können die zugehörigen Anschaffungsvorgänge – Reisekosten, Telekommunikation uÄ – von der Größenordnung her als geringfügig eingestuft werden.
Rn. 261
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Der Unterscheidung von Anschaffung und Herstellung kommt materielle Bedeutung insb im Bereich der immateriellen WG des AV zu: Sie sind nur im Falle der Anschaffung, nicht aber der Herstellung aktivierbar (s §§ 4,5 Rn 642 ff und 680ff (Briesemeister)). Abgrenzungsprobleme bestehen dabei in der Praxis insb bei der Entwicklung von Softwarepaketen (s §§ 4,5 Rn 685 (Hoffmann); bei kundenspezifischer Anpassung idR HK Köhler/Benzel/Trautmann, DStR 2002, 926; Hoffmann, DStR 2002, 1458) für die Eigennutzung als AV (bei beabsichtigtem Fremdverkauf UV) oder aber bei der Erstellung von Filmen im Hinblick auf die steuerorientierte Finanzierung durch entsprechende Fonds (s BMF v 23.02.2001, BStBl I 2001, 175 mit Änderung durch BMF v 05.08.2003, BStBl I 2003, 406; Anmerkung von Budeit/Borggreve, DB 2001, 887). Wegen möglicherweise geänderter Rechtslage durch BFH BStBl II 2001, 717; BFH BStBl II 2001, 720 vgl Beck, DStR 2001, 2061, 2064: Anschaffung statt Herstellung mit der Folge, dass die gesamten Kosten als AK zu aktivieren wären. Dagegen Lüdicke/Arndt, BB 2002, 597. S Rn 262.
Der BMF BStBl I 2003, 406 differenziert wie folgt: Der Fonds hat AK, wenn der Initiator der Gesellschaft den Interessenten ein einheitliches Vertragswerk vorlegt, der von den (nachmaligen) Gesellschaftern nicht mehr wesentlich beeinflusst werden kann. Wesentliche Einflussmöglichkeiten auf die Filmproduktion (mit der Folge der Herstellereigenschaft des Fonds) müssen für die ganze Laufzeit des Filmprojekts gegeben sein. Mitunternehmereigenschaften der Gesellschafter nach § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG reichen nicht aus, um die geforderte Initiative darzustellen. Dazu müssen die Gesellschafter aus ihrer Mitte einen Beirat oder ein ähnliches Gremium wählen, um die erforderliche Einflussnahme auch tatsächlich auszuüben.
Rn. 262
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Ein weiterer bedeutsamer Bereich, in dem die Abgrenzung von Anschaffung und Herstellung materiell von Bedeutung ist, sind die sog Bauherrenmodelle, in deren Rahmen Investitionen im Rechtskleid der Immobilienfonds finanziert werden. Als Bauherr und damit Hersteller wird dabei derjenige definiert, der auf eigene Rechnung und Gefahr ein Gebäude baut oder bauen lässt und dabei das Baugeschehen beherrscht (s BFH BStBl II 1990, 299; BFH BStBl II 1989, 986; BFH BStBl II 1998, 1009). Der Bauherr muss dabei ein umfassendes Bauherrenwagnis tragen und damit das typische Risiko einer Baumaßnahme; er muss die Planung und Ausführung in der Hand haben.
Umgekehrt liegt eine Anschaffung vor, wenn der "Interessent" ein fertiges Produkt erwirbt, das betreffende Gebäude also nur wie geplant und ausgeführt bzw auszuführen erwerben kann. Durch BFH BStBl II 2001, 717; 2001, 720 hat sich die Rechtslage grundlegend geändert: nicht mehr Herstellung, sondern Anschaffung (Beck, DStR 2001, 2061, 2063).
In einem 5. Bauherrenerlass (anders bezeichnet, BMF BStBl I 2003, 546) hat das BMF v 20.10.2003 die geänderte BFH-Rspr zum Anlass genommen, den ganzen Problembereich neu zu justieren. Inhaltlich werden die Anforderungen an die Bauherrengemeinschaft (verschärfend) an die Regelungen für Filmfonds (s Rn 261) angepasst. Außerdem sind in dem BMF-Schreiben aaO detaillierte Anweisungen zur Abgrenzung von Erhaltungsaufwendungen und AK/HK enthalten.
Rn. 263
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Diese v BFH für die Bestimmung von Bauherren entwickelten Kriterien sind, wenn auch nicht vollständig, auch auf die Herstellung von beweglichen WG anzuwenden (BFH BStBl II 1992, 725/26; so BMF v 20.10.2000, BStBl I 2003, 546; s hierzu auch Stobbe, FR 1997, 281, 282).
Rn. 264
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