Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. fehlende Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Bestreiten des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Partner. erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Nutzung der behaupteten eigenen Wohnung. Zulässigkeit der Observation des Antragstellers. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat zur Voraussetzung, dass der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB 2 hinreichend glaubhaft macht. Bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er entgegen seiner Einlassung in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und deshalb nicht hilfebedürftig ist, ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.
2. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die von ihm benannte Wohnung tatsächlich nicht bewohnt, sind ein ungewöhnlich niedriger Stromverbrauch, die fehlende telefonische Erreichbarkeit in der betreffenden Wohnung sowie der Umstand, dass sich der Antragsteller nach Ermittlungen des Grundsicherungsträgers in Form einer Beobachtung der benannten Wohnung dort tatsächlich nicht aufhält.
3. Wenn ein Sozialleistungsträger Ermittlungen zur Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm anstellt, die zum Anspruch auf Sozialleistungen, also Mitteln führt, die die Allgemeinheit aufbringt, sind die Ergebnisse dieser Ermittlungen trotz des Fehlens einer Rechtsgrundlage verwertbar, wenn ein damit verbundener Grundrechtseingriff von der Reichweite und Intensität her in einem ausgewogenen Verhältnis steht zu dem im überwiegenden öffentlichen Interesse liegenden Gebot, den Missbrauch von Sozialleistungen zu unterbinden (vgl LSG München vom 25.1.2008 - L 7 AS 72/07).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.12.2010 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Das Sozialgericht Dortmund hat die Antragsgegnerin zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 02.11.2010 bis 28.02.2011, längstens jedoch bis zum Erlass eines endgültigen Bescheides für den Zeitraum vom 01.11.2010 bis 30.04.2011 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II zu bewilligen. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind nicht gegeben, da der nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erforderliche Anordnungsanspruch mit der für eine Verurteilung der Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht ist. Der Senat hat erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung der Antragstellerin, mit Herrn X (X) nicht in einer Bedarfsgemeinschaft (BG) zu leben und deshalb hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB II zu sein.
Die Zweifel ergeben sich für den Senat aus den Ermittlungsergebnissen der Antragsgegnerin, die belegen, dass die Antragstellerin nicht in der angegebenen Wohnung "X 00" wohnt, sondern vielmehr in der Wohnung des Herrn X. "C 00" in T ihren ständigen Aufenthalt hat.
Bereits die Stromrechnung der Stadtwerke T vom 07.11.2010 spricht gegen eine Nutzung der Wohnung "X 00". Die Rechnung erfasst den Zeitraum vom 25.11.2009 bis 24.11.2010, reicht also bis in den aktuellen streitigen Zeitraum hinein und weist einen Endbetrag von 129,57 EUR aus. Von diesem Betrag sind noch abzuziehen Entgelte für den Netzzugang, Umlagen, Messdienstleistungen, ein Entgelt für einen Messstellenbetrieb sowie die Abrechnung, so dass sich ein Verbrauch von 67,07 EUR errechnet. Das ergibt bei einem 12 Monate umfassenden Zeitraum einen monatlichen Stromverbrauch von ca. 5,50 EUR. Ein derart geringer Verbrauch in einer Wohnung, die von zwei Personen bewohnt werden soll, ist nicht glaubhaft.
Auch die Rechnung vom 31.12.2008, die den Zeitraum vom 30.11.2007 bis 25.11.2008 umfasst, beläuft sich nur auf 94,70 EUR abzgl. der genannten Positionen, so dass sich hier ein noch geringerer Verbrauch ergibt. Auch das stützt die Annahme, dass die Wohnung langfristig nicht regelmäßig genutzt wird.
Darüber hinaus ergeben sich die Zweifel des Senats am Vorliegen des Anordnungsanspruchs auch aus dem Prüf- und Außendienstprotokoll vom 04.03.2011, der sich auf die Monate Januar und Februar 2011 erstreckt. Der Senat hält eine Verwertung dieser Ermittlungsergebnisse zu Beweiszwecken entgegen der Ansicht des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 25.11.2010 - 3 KO 527/08 -) für zulässig und folgt den Ausführungen des Bayrischen Landessozialgerichts (Urteil vom 25.01.2008 - L 7 AS 72/07 -). Zwar hat auch der erkennende Senat Bedenken an der grundsätzlichen Verwertbarkeit solcher Ermittlungsergebnisse, da es für deren Erstellung keine Rechtsgrundlage gibt, hält aber die Überprüfung der Tatbestandsvora...