Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 14 SGB 7. keine besondere Aufforderung im Einzelfall gem § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2. Eingliederungsvereinbarung gem § 15 SGB 2. Weg zum Vorstellungsgespräch
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB 2 allgemeine Pflichten enthält, die erst bei Eintritt eines konkreten Falles bestimmbar werden, begründet sie keine Aufforderung iS von § 2 Abs 1 Nr 14 SGB 7 zur Teilnahme an einem Bewerbungsgespräch.
2. Die eigenständige Stellensuche eines Arbeitsuchenden liegt in seinem alleinigen Verantwortungsbereich; auch wenn ihm eine Eingliederungsvereinbarung umfangreiche Pflichten auferlegt und Eigenbemühungen abverlangt. Dies ersetzt keine besondere Aufforderung im Einzelfall iS von § 2 Abs 1 Nr 14 SGB 7.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Unfall der Klägerin am 5. März 2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.
Zum Unfallzeitpunkt war die Klägerin arbeitslos und bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Im Februar 2007 wurde sie von einem Unternehmen aufgrund ihrer eigenen Initiativbewerbung zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, welches in der G. in H. stattfinden sollte. Auf dem Rückweg von diesem Vorstellungsgespräch rutschte die Klägerin auf dem Weg zum Ausgang auf einer Treppe aus und verletzte sich dabei (u.a. Subluxation der oberen beiden Schneidezähne).
Mit Bescheid vom 17. September 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 5. März 2007 ab und führte zur Begründung aus, Unfallversicherungsschutz bestünde nur bei einer besonderen, im Einzelfall an die Klägerin gerichteten Aufforderung. Ein solcher Sachverhalt liege hier nicht vor.
Hiergegen legte die Klägerin am 14. Oktober 2008 Widerspruch ein und trug vor, sie sei auch bei solchen Bewerbungsgesprächen, die sie eigeninitiativ ausgelöst habe, gesetzlich unfallversichert. Zudem werde in der Informationsbroschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales darauf hingewiesen, dass man auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch unfallversichert sei. Sie habe eine Eingliederungsvereinbarung mit der Verpflichtung zu vier Stellenbewerbungen pro Monat unterzeichnet. Demzufolge sei jede einzelne Stellenbewerbung inklusive Bewerbungsgespräch verbindlich; dies komme einer Aufforderung der Arbeitsverwaltung gleich. Auf Nachfrage teilte das Jobcenter SGB II K. mit, die Klägerin stehe seit dem 15. Februar 2005 im Leistungsbezug. Am Unfalltag sei sie aber keiner Weisung, Aufforderung, Bitte, Empfehlung oder ähnlichen Erklärung des Trägers der Grundsicherung nachgekommen; sie habe sich den Arbeitgeber selbst gesucht und den Vorstellungstermin selbst vereinbart.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da es an einer Aufforderung im Sinne des Gesetzes fehle.
Am 23. Februar 2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau Klage erhoben und die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall begehrt. Sie hat ausgeführt, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 14 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) aus einer Zeit vor der rechtlichen Umwälzung des Arbeitsförderungsrechts durch Einführung des SGB II zum 1. Januar 2005 entstamme. Die damalige Rechtsprechung könne nicht ohne Einschränkung herangezogen werden. Der Empfänger von Arbeitslosengeld II stehe in einem deutlich geänderten Pflichtenverhältnis, wie es durch eine Eingliederungsvereinbarung konkretisiert werde. Soweit in einer Eingliederungsvereinbarung die Verpflichtung zu einer bestimmten Anzahl von Stellenbewerbungen pro Monat festgelegt worden sei, so müssten diese nachgewiesen werden, um Sanktionen abzuwenden.
Mit Urteil vom 13. Januar 2010 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es liege keine Aufforderung zu jenem Vorstellungsgespräch vor. Auch die Eingliederungsvereinbarung sei keine Aufforderung des Jobcenters gewesen.
Gegen das ihr am 19. Januar 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin noch im gleichen Monat Berufung eingelegt und ihren bisherigen Vortrag vertieft.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 13. Januar 2010 aufzuheben und den Unfall vom 5. März 2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat eine Eingliederungsvereinbarung zwischen der Klägerin und dem Jobcenter SGB II beigezogen. Danach verpflichtete sich die Klägerin u. a. zur "Stellensuche/Erstellung von Bewerbungsunterlagen" mit mindestens vier Bewerbungen pro Monat. Dabei hatte sie ausdrücklich auch das Internet, ...