Betriebswirtschaftsstudium statt Bankkolleg: Liegt noch eine einheitliche Erstausbildung vor?
Orientiert sich das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts um und setzt es seine Ausbildung anders als ursprünglich geplant fort, kann trotzdem noch eine einheitliche Erstausbildung vorliegen. Das Kindergeld kann dann grundsätzlich weiter gewährt werden.
Hintergrund
Der volljährige Sohn S schloss im Januar 2015 eine Banklehre ab und wurde von der Bank als Vollzeitbeschäftigter übernommen. Bereits im April 2014 hatte er ein Bankkolleg-Studium (Abschluss als Bankfachwirt) beabsichtigt. Nachdem sich die Einrichtung des Studiengangs auf unbestimmte Zeit verzögert hatte, bewarb sich S auf einen Online-Studiengang BWL an einer Hochschule. Das Studium nahm er zum September 2015 auf.
Die Familienkasse hatte Kindergeld bis Januar 2015 gewährt. Im Jahr 2017 beantragte der Vater V wegen des BWL-Studiums erneut Kindergeld, was die Familienkasse ablehnte. Das Finanzgericht wies die Klage ab.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Zur Begründung führten die Richter aus: Ein Kind wird bis zum 25. Lebensjahr berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums gilt das nur dann, wenn das Kind keiner mehr als 20 Wochenstunden umfassenden Erwerbstätigkeit nachgeht. Somit konnte S, da er in Vollzeit beschäftigt war, nur berücksichtigt werden, wenn seine erstmalige Berufsausbildung mit dem Abschluss der Banklehre im Jahr 2015 noch nicht abgeschlossen war bzw. wenn das in 2015 begonnene BWL-Studium noch als Teil einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung angesehen werden kann.
Ausbildungsabschnitte können zu einer Erstausbildung zusammengefasst werden, wenn sie zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmt sind und nach dem Ende des ersten Abschnitts aufgrund objektiver Beweisanzeichen feststeht, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll, und wenn das Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann.
Im vorliegenden Fall lag der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Banklehre und BWL-Studium vor. Denn S hat sich schon vor Beendigung der Banklehre im April 2014 über das Studium am Berufskolleg informiert und dadurch zu erkennen gegeben, dass er seine Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beenden wollte.
Auch der enge sachliche Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und dem BWL-Studium lag vor. Die Umorientierung vom Bankkolleg zum BWL-Studium führte nicht zu einer mehraktigen Ausbildung. Wird der sachliche Zusammenhang gewahrt, ist eine Umorientierung unschädlich.
Eine einheitliche Erstausbildung liegt jedoch nicht mehr vor, wenn das Kind eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Das Finanzgericht muss klären, ob das BWL-Studium dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt das Studium gegenüber dem Beschäftigungsverhältnis im Vordergrund stand.
Kindergeldprozess: Warum das volljährige Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht hat
In Kindergeldsachen hat das volljährige Kind eine Mitwirkungspflicht, die auch das finanzgerichtliche Verfahren umfasst. Ein Zeugnisverweigerungsrecht steht ihm insoweit nicht zu.
Hintergrund
V und M sind geschiedene Eltern eines 1992 geborenen Sohnes S. Dieser lebte bis zum Ende seiner Schulausbildung im Sommer 2011 im Haushalt der M, die das alleinige Sorgerecht hatte und auch das Kindergeld bezog. Seit dem Wintersemester 2011/2012 befindet sich S auswärts im Studium.
Im Jahr 2013 beantragte V die Festsetzung des Kindergeldes für S zu seinen Gunsten. Er argumentierte, dass S den Haushalt der M im Dezember 2011 verlassen hatte und er vorrangig kindergeldberechtigt war, da er einen höheren monatlichen Barunterhalt leistete. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, da die Haushaltsaufnahme bei M ihrer Meinung nach fortbestand.
Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage ab, obwohl sich eine dauerhafte Trennung vom mütterlichen Haushalt nicht feststellen ließ. Denn S hatte schriftlich erklärt, dass er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil wegen Verfahrensmangels (mangelnde Sachaufklärung) auf und verwies den Fall an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hatte zunächst zu entscheiden, ob S nach ...