vorläufig nicht rechtskräftig

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 20/14)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen für Zivilprozess in Rumänien

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zur Zwangsläufigkeit von Aufwendungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG.
  2. Nach neuerer BFH-Rechtsprechung erwachsen Parteien Kosten eines Zivilprozesses unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig.
  3. Kosten eines Zivilprozesses in Rumänien, die durch eine erbrechtliche Streitigkeit mit nicht unerheblicher wirtschaftlicher Bedeutung zusammenhängen, erwachsen zwangsläufig i. S. des § 33 EStG.
  4. Der Umstand, dass Rechtsverfolgungskosten aufgrund eines Rechtsstreits im europäischen Ausland entstehen, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2011

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für einen in Rumänien geführten Zivilprozess als außergewöhnliche Belastungen.

Der Kläger wird im Rahmen einer getrennten Veranlagung zur Einkommensteuer veranlagt. Seine Ehefrau ist gebürtige Rumänin, die gemeinsam mit ihrem in Rumänien lebenden Bruder Erbin ihres ebenfalls bis zu seinem Tode im Jahr 2009 in Rumänien lebenden Vaters geworden ist. Gegenüber den zuständigen Behörden gab der Schwager des Klägers seine Schwester jedoch als nicht existent an, um dadurch einen auf sich ausgestellten Erbschein und die Erbschaft für sich zu erlangen.

Die Ehefrau des Klägers erhielt von diesen Vorgängen Kenntnis, als der Bruder die elterliche Wohnung veräußerte, und beauftragte im Januar 2011 eine rumänische Rechtsanwaltskanzlei mit der Vertretung ihrer rechtlichen Interessen. Der Erbschein und der Kaufvertrag über die elterliche Wohnung sollten gerichtlich für unwirksam erklärt werden.

Der Kläger beglich für seine Ehefrau die im Jahr 2011 durch den Rechtsstreit angefallenen Kosten i.H.v. insg. umgerechnet 5.144,90 € (davon Gerichtsgebühren i.H.v. 1.400 €, Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.720 € und sonstige Kosten i.H.v. 24,90 €), die nicht von einer Rechtsschutzversicherung übernommen wurden.

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger diese Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das beklagte Finanzamt lehnte jedoch ihre Berücksichtigung im Bescheid vom 8. Mai 2012 ab.

Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger hiergegen Klage erhoben.

Er beruft sich auf die Entscheidung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015) und vertritt die Auffassung, dass die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden könnten, weil die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid für 2011 über Einkommensteuer vom 8. Mai 2012 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 14. August 2012 dahingehend abzuändern, dass die von dem Kläger geltend gemachten Zivilprozesskosten i.H.v. 5.144,90 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er beruft sich auf den Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, wonach das von dem Kläger angeführte Urteil des BFH über den Einzelfall hinaus nicht angewandt werden soll. Auf Grundlage der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BFH seien die Rechtsverfolgungskosten nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger nicht ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr in dem üblichen Rahmen befriedigen zu können.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Mit Urteil vom 19. September 2012 hat das zuständige rumänische Gericht der Klage der Ehefrau des Klägers teilweise stattgegeben. Der Erbschein wurde durch die Entscheidung für unwirksam erklärt. Der Antrag auf Annullierung des Grundstückskaufvertrages wurde dagegen aus prozessualen Gründen abgelehnt. Gegen die Entscheidung hat die Ehefrau des Klägers Berufung eingelegt. Eine Kostenentscheidung ist bis dato nicht ergangen, eine Kostenerstattung nicht erfolgt.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig und begründet. Die von dem Kläger getragenen Prozesskosten in Höhe von 5.144,90 € sind als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) zu berücksichtigen.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird die Einkommensteuer nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag in bestimmtem Umfang ermäßigt. Kosten eines Zivilprozesses erwachsen den Parteien nach der neuen Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (im Folgenden: BFH) unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. BFH-Urteil ...

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