Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Lohnsteuerpflicht des Insolvenzverwalters im Dreiecksverhältnis nach „Freigabe” des Unternehmens und Fortführung des Betriebs
Leitsatz (redaktionell)
- Steuerschuldner der LSt ist der Arbeitnehmer; Entrichtungsschuldner ist der Arbeitgeber.
- Der lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff ist im EStG nicht definiert. Er wird abgeleitet aus den in der LStDV enthaltenen Begriffen Arbeitnehmer und Dienstverhältnis. Danach ist Arbeitgeber derjenige, zu dem eine bestimmte Person, um deren einzubehaltende LSt es geht, in einem Arbeitnehmerverhältnis steht.
- Im Rahmen von Dreiecksverhältnissen ist derjenige als Arbeitgeber anzusehen, der dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung (unmittelbar) auszahlt.
- Gibt der Insolvenzverwalter einen Geschäftsbetrieb mit dem Hinweis frei, der Schuldner könne den Betrieb nur auf eigene Rechnung weiterführen und habe sämtliche mit dem Geschäftsbetrieb verbundenen Aufwendungen selbst zu bezahlen, so ist der Insolvenzverwalter nicht als Arbeitgeber anzusehen.
Normenkette
EStG § 38 Abs. 2 S. 1, § 41a Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2
Streitjahr(e)
2005, 2006
Tatbestand
Streitig ist, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund der Fortführung des Betriebes durch den Schuldner entstandenen Lohnsteuerforderungen Masseverbindlichkeiten darstellen.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des M. M betrieb seit 1988 das Restaurant und Hotel „F.” in dem ebenfalls im Jahr 1988 für 950.000 DM angeschafften Objekt in der Y-Straße in N. Außerdem betrieb er jahrelang den Ausschank in der angrenzenden Stadthalle.
Am 30. Dezember 2004 wurde über das Vermögen des M die vorläufige Verwaltung durch den Insolvenzverwalter - den Kläger - angeordnet und am 4. März 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am gleichen Tag erklärte der Kläger durch Schreiben an den M die Freigabe des Geschäftsbetriebes. Dies bedeute - so teilte er mit -, dass M auf eigene Rechnung den Betrieb weiterführen könne und dass er sämtliche mit dem Geschäftsbetrieb verbundenen Aufwendungen selber zu bezahlen hätte. Bevor der Kläger die Freigabe erklärte, hatte er als Insolvenzverwalter die Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern des M gekündigt. M schloss dann später neue Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern und zahlte die Löhne an die Arbeitnehmer aus. Diese Zahlungen erfolgten auf eigene Rechnung des M.
M führte das Hotel und Restaurant auf Grund dieser Freigabeverfügung bis 2006 fort. Dann stellte er den Betrieb ein. Für die Monate April bis September des Jahres 2005 wurden Umsatzsteuer- und Lohnsteuervoranmeldungen beim Beklagten nicht vom Kläger, sondern vom Schuldner eingereicht. Der Beklagte erkannte diese Freigabeerklärung nicht an und erließ Umsatz- und Lohnsteuerbescheide gegen den Kläger als Insolvenzverwalter. So erließ er Lohnsteuerbescheide für die Monate April 2005 bis August 2006 und einen Umsatzsteuerbescheid für 2005 sowie Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für April 2005 bis April 2006. Seit Oktober 2005 schätzte der Beklagte die Vorauszahlungen mangels Abgabe der Voranmeldungen. Am 6. Januar 2006 erließ er den Umsatzsteuerbescheid 2005.
Gegen die Lohnsteuerbescheide, Vorauszahlungsbescheide und den Umsatzsteuerbescheid 2005 legte der Kläger Einsprüche ein, die als unbegründet zurückgewiesen wurden. Dagegen erhob der Kläger Klage.
Der Kläger trägt vor, die Freigabe sei u.a. erfolgt, weil die Gegenstände des Geschäftsbetriebes (Teil der Küchenausstattung, Gaststätteninventar, Getränkeanlage, Inventar des Restaurant und Hotels) überwiegend mit Aus- und Absonderungsrechten gemäß §§ 47 Insolvenzordnung (InsO) belastet gewesen seien. Soweit die Bescheide den Zeitraum nach Juni 2006 betreffen, seien die Bescheide schon deshalb rechtswidrig, weil der Betrieb bereits im Juni 2006 eingestellt gewesen sei.
Ansonsten seien die Bescheide rechtswidrig, weil der Betrieb freigegeben worden sei, so dass die Steuerforderungen nicht die Masse betreffen würden. Die vertraglichen Bindungen seien alle neu durch den Schuldner herbeigeführt worden. Diese betreffen nicht nur seine Angestellten, sondern auch die Lieferanten und Kunden. Der Kläger habe den Schuldner weder in seiner Geschäftsführung beaufsichtigt, bevollmächtigt, im Namen des Klägers Verträge abzuschließen, noch auf Rechnung des Klägers den Geschäftsbetrieb fortgeführt.
Es handele sich bei der Fortführung des Geschäftsbetriebes um eine insolvenzfreie Rechtsphäre. Dies werde auch durch die Rechtsprechung des BFH bestätigt (BFH-Urteil vom 7. April 2005 V R 5/04, BStBl II 2005, 848). Gastwirte würden überdies Leistungen im Sinne des § 811 Nr. 5 Zivilprozessordnung (ZPO) erbringen, so dass das benötigte Inventar nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbar sei.
Der Kläger beantragt,
die Lohnsteuerbescheide der Monate April 2005 bis August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13. Oktober 2006 und 18. Oktober 2006 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, eine Freigabe eines ...