Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslagerung von Geschäftstätigkeiten auf eine Managementgesellschaft hindert nicht die Annahme eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Unternehmen unterhält einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, wenn es über eine personelle und sachliche Mindestausstattung für Bank- oder Versicherungsgeschäfte verfügt, für die ausgeübte Tätigkeit die in §§ 238 ff. HGB entsprechenden Handelsbücher führt, die Geschäftskorrespondenz aufbewahrt und eine Inventur und eine Bilanz aufstellt.
- Die Auslagerung von Geschäftstätigkeiten auf eine Management-Gesellschaft hindert nicht die Annahme eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes. Allein in der Auslagerung ist keine rein künstliche und missbräuchliche Gestaltung zu erkennen.
Normenkette
AStG § 8 Abs. 1 Nr. 3
Streitjahr(e)
1995, 1996
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin, ein großes deutsches Versicherungsunternehmen, betreibt ihr Geschäft in Deutschland sowie im europäischen Ausland. Zu diesem Zweck hält sie Beteiligungen an zahlreichen in- und ausländischen Tochtergesellschaften. U.a. gründete sie im Juli 1992 die X Ltd. als 100 %-ige Tochtergesellschaft mit einem Gesellschaftskapital von … Mio. DM. Der Firmensitz der X Ltd. befindet sich in … in Dublin. Am 16. Oktober 1992 schloss die X Ltd. einen Betriebsführungsvertrag (management agreement) mit der kurz zuvor gleichfalls mit Firmensitz in … gegründeten XYZ Ltd., wonach letztgenannte Gesellschaft damit beauftragt wurde, für die X Ltd. sämtliche für deren Geschäftsausübung erforderliche Tätigkeiten zu erbringen. Die XYZ Ltd. war ihrerseits von der X Ltd. gemeinsam mit zwei anderen zum Konzernverbund gehörenden und ebenfalls im…in Dublin ansässigen Tochtergesellschaften, der Y Ltd. und der Z Ltd. mit jeweils einer Beteiligung von 1/3 gegründet worden. Die beiden vorbezeichneten Gesellschaften schlossen ebenfalls mit der XYZ Ltd. einen Betriebsführungsvertrag ab. Zwischen der X Ltd. und mehreren Arbeitnehmern, die bei der XYZ Ltd. angestellt waren (Wirtschaftsjahr 1995 insgesamt 5), wurden Arbeitsverträge geschlossen. Die zwischen der X Ltd. und den Mitarbeitern geschlossenen (Arbeits-)Verträge nehmen in ihrem wesentlichen Inhalt auf die zwischen den Arbeitnehmern und der XYZ Ltd. geschlossenen Arbeitsverträge Bezug. Die genannten Arbeitnehmer waren ebenfalls für die Y Ltd. und die Z Ltd. tätig. Der Managing Director der X Ltd., der Zeuge A., war zugleich auch als Managing Director der Firmen Y Ltd. und Z Ltd. sowie der XYZ Ltd. tätig. Die XYZ Ltd. unterhielt im … unter der Geschäftsadresse, unter der auch die X Ltd. ansässig war, umfangreiche und voll ausgestattete Büroräume. Die XYZ Ltd. verfügte neben den insgesamt 5 Arbeitnehmern, die für die X Ltd. im Wirtschaftsjahr 1995 tätig waren, über weitere Arbeitnehmer, die nur bei ihr angestellt bzw. von deutschen Konzerngesellschaften zur Tätigkeit bei der XYZ Ltd. entsandt waren.
Durch Bescheid des irischen Finanzministers vom 24. Februar 1994 wurde festgestellt, dass die X Ltd. mit Wirkung ab dem 01.10.1992 die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten irischen Steuersatzes von 10 % erfüllt. Der ermäßigte Steuersatz wurde der X Ltd. für den Geschäftsbereich des Abschlusses von Rückversicherungsverträgen und Retrozessionsverträgen mit anderen Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften im Hinblick auf Risiken außerhalb Irlands erlaubt. Die X Ltd. erzielte lt. ihrer eigenen Buchführung im Bereich der Rückversicherung von Erst- und Rückversicherungsrisiken im In- und Ausland Versicherungsprämien i.H.v. rd. … Mio. DM und wendete zur Schadensregulierung rd. … Mio. DM auf. Zum Ende des Geschäftsjahres 1995 wies die X Ltd. Finanzanlagen in Höhe von rd. … Mio. DM aus. Insbesondere aus festverzinslichen Wertpapieren erzielte sie Kapitalerträge (sogenanntes „investment income”) in Höhe von rd. … Mio DM. Gewinnausschüttungen der X Ltd. an die Klägerin wurden bei letzterer als nach dem DBA-Irland steuerfreie Schachteldividenden angesehen und entsprechend steuerlich erklärt.
Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung führte gemeinsam mit dem Bundesamt für Finanzen für die Jahre 1993 bis 1997 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Dabei gelangte es zu der Auffassung, bei sämtlichen im Prüfungszeitraum von der X Ltd. erzielten Einkünften handele es sich um solche aus „passivem Erwerb”, die dazu geeignet seien, die Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG auszulösen. Die X Ltd. unterhalte für ihre Geschäfte keinen „in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb”, so dass die Anwendung von § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG ausgeschlossen sei. Diese Vorschrift habe zur Voraussetzung, dass die wesentlichen Funktionen von den betreffenden Unternehmen selbst betrieben würden, was bei der X Ltd. nicht der Fall sei. Letztere habe sämtliche relevanten Funktionen im Wege des „outsourcing” auf die XYZ ...