Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Kindergeld bei unterlassener Entscheidung über eine Abzweigung zugunsten des Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Die Kindergeldberechtigte ist nicht als Leistungsempfängerin und damit nicht als Rückzahlungsverpflichtete im Sinne des § 37 Abs. 2 AO anzusehen, wenn die Voraussetzungen für eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG vorliegen, das Kindergeld tatsächlich an das Kind ausgezahlt wird und die Familienkasse über die Abzweigung aber nicht entschieden hat.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2; EStG § 74 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht von der Klägerin an deren Tochter ausgezahltes Kindergeld in Höhe von 10.912,29 € für den Zeitraum von Januar 2012 bis März 2017 zurückgefordert hat.
Die Betreuerin der Klägerin, X, stellte im Namen der Klägerin am 12. Oktober 2016 einen Kindergeldantrag für das Kind A (geboren am xx.xx.xxxx). Als bezugsberechtigte Person gab die Betreuerin der Klägerin dabei A an. Das Kindergeld solle direkt an A gezahlt werden. Zuvor hatte A bei der beklagten Familienkasse am 14. April 2016 einen Antrag auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes an sich gestellt, woraufhin die Familienkasse auf das Erfordernis der Antragstellung durch die kindergeldberechtigte Klägerin hingewiesen hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorliegende Kindergeldakte verwiesen.
A erhielt --mit Ausnahme des Monats Januar 2012-- in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann während des streitigen Zeitraums Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch das Jobcenter im Landkreis Z. Kindergeld rechnete der Sozialleistungsträger auf die hiernach erbrachten Leistungen nicht an. Die entsprechenden Berechnungsbögen über Sozialleistungsbezüge übermittelte das Jobcenter der Familienkasse per E-Mail am 19. Dezember 2016.
Mit Bescheid vom 13. März 2017 setzte die beklagte Familienkasse --aufgrund einer unstreitig vor dem 25. Lebensjahr bei A vorliegenden Behinderung-- gegenüber der Klägerin rückwirkend für den Zeitraum Januar 2012 bis März 2017 Kindergeld in Höhe von 11.736 € fest. Der Betrag wurde wunschgemäß auf das Konto von A überwiesen.
Für ein weiteres Kind der Klägerin, B, hatte die beklagte Familienkasse bereits mit Bescheid vom 18. März 2015 Kindergeld ab April 2015 festgesetzt. Das Kindergeld wurde im Wege der Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG - direkt an die Betreuerin der B ausgezahlt.
Mit Fax vom 15. März 2017 wies die Betreuerin der Klägerin die Familienkasse und das Jobcenter darauf hin, dass das festgesetzte Kindergeld in Höhe von 11.736 € offenbar an das Jobcenter zu erstatten sei. Im Fax an die Familienkasse bat die Betreuerin deshalb darum, das für den Streitzeitraum nachgezahlte Kindergeld nicht an A auszuzahlen. Die Kassenanordnung der Familienkasse für die Zahlung an A datiert jedoch bereits vom 6. März 2017.
Aufgrund eines durch das Jobcenter zunächst am 16. Mai 2017 per (der Familienkasse nach Aktenlage nicht zugegangener) E-Mail und sodann mit Schreiben vom 19. September 2017 gegenüber der Familienkasse geltend gemachten Erstattungsanspruchs zahlte die Familienkasse im Hinblick auf das für A festgesetzte und an sie ausgezahlte Kindergeld 10.912,29 € an das Jobcenter. Der im Vergleich zu dem festgesetzten Kindergeld von 11.736 € geringere Erstattungsanspruch des Jobcenters ergab sich daraus, dass das Jobcenter im Monat Januar 2012 keine Sozialleistungen und für einige Monate Sozialleistungen in geringerem Umfang als das zu leistende Kindergeld erbracht hatte.
Im Anschluss an diese ”Doppeltzahlung“ durch die beklagte Familienkasse forderte die Familienkasse den an das Jobcenter erstatteten Betrag in Höhe von 10.912,29 € mit Bescheid vom 21. November 2017 gemäß § 218 Abs. 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- von der Klägerin zurück. Das Jobcenter im Landkreis Z habe für den Zeitraum von Januar 2012 bis März 2017 das Kindergeld vorgeleistet, indem es das Kindergeld nicht auf die nach SGB II an A erbrachten Leistungen angerechnet habe. Das Jobcenter habe gemäß § 74 Abs. 2 EStG die Erstattung des vorgeleisteten Betrags in Höhe von 10.912,29 € gegenüber der Familienkasse geltend gemacht. Der Anspruch der Klägerin auf Kindergeld sei damit bereits gemäß § 107 SGB X durch Leistungen des Jobcenters erfüllt gewesen und die nochmalige Auszahlung des Kindergeldes an die Klägerin durch die Familienkasse folglich ohne Rechtsgrund erfolgt.
Den Einspruch der Klägerin vom 28. November 2017 gegen die Rückforderung wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2018 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor, das Kindergeld sei nicht auf ihr Konto, sondern auf ausdrücklichen Wunsch und nach Abtretung des Anspruchs durch die Kindergeldberechtigte auf das Konto des Kindes, A, überwiesen worden. Die Betreuerin de...