rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Erlass wegen nicht verrechenbarer Verluste aus den Jahren vor 1985
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen eines Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen.
- Die BFH-Grundsätze zur Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten sind auf Komplementäre einer KG nicht anzuwenden. Denn bei diesen ist das Kapitalkonto kein reine „Rechengröße”, sondern spiegelt die Mehrung oder Minderung des Betriebsvermögens wider, sodass Verluste gem. § 10d Satz 4 a.F. EStG bei der Besteuerung zu berücksichtigen waren.
Normenkette
AO § 227; EStG § 10d
Streitjahr(e)
1988
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht den Erlass von Einkommensteuer infolge des Gewinns aus der Veräußerung eines Seeschiffes abgelehnt hat, obwohl sich Verluste früherer Jahre hieraus steuerlich nicht ausgewirkt haben.
Der Beklagte veranlagte die verheirateten Kläger zusammen zur Einkommensteuer. Der Kläger betreute Schifffahrtsgesellschaften, an denen er sich auch selbst beteiligte. Er war u.a. Komplementär der in 1994 im Handelsregister gelöschten W-KG. Gegenstand dieses Unternehmens war der Betrieb und die Bereederung von Seeschiffen. In 1978 erwarb die KG das Frachter- und Containerschiff MS "X” und betrieb dieses Schiff bis zu dessen Veräußerung im Jahr 1988. Von dem hieraus erzielten Veräußerungspreis entfiel auf den Kläger ein anteiliger Veräußerungsgewinn von 3.1 Mio DM, welcher das negative Kapitalkonto des Klägers minderte. Der Beklagte unterwarf den Veräußerungsgewinn in voller Höhe der Einkommensbesteuerung, gewährte aber die Tarifbegünstigung nach § 34 Einkommensteuergesetz (EStG). Ein Ausgleich mit bisher unberücksichtigten Verlusten aus den Jahren vor 1982 erfolgte nicht. Auf die Klägerin, die seit 1986 durch unentgeltliche Übertragung ebenfalls Komplementärin der W-KG war, entfiel ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.8 Mio DM.
Aus der eigenbetrieblichen Betätigung der KG resultierten aus den Jahren 1978 bis 1981 erhebliche Verluste, die zum weitaus überwiegenden Teil auch durch den Betrieb der MS "X” verursacht worden waren und bei denen nur teilweise ein Ausgleich durch Gewinne erfolgen konnte. Die für den Kläger insoweit nicht ausgeglichenen und aufgrund der zeitlichen Begrenzung des Verlustvortrages nach § 10 d alter Fassung auch nicht mehr abziehbaren Verluste belaufen sich nach Auffassung des Beklagten auf 2.0 Mio DM bzw. nach Auffassung des Klägers auf 2.9 Mio DM.
Mit Schreiben vom .............1995 beantragten die Kläger, die Einkommensteuer 1988, die insgesamt in Höhe von 1.2 Mio DM festgesetzt ist, in Höhe von 0.9 Mio DM gemäß § 227 Abgabenordnung (AO) zu erlassen. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, da weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe vorlägen.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück. Im Einspruchsbescheid führte er hierzu aus, es lägen weder die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen noch für einen Erlass aus persönlichen Gründen vor. Die Neufassung des § 10 d Einkommensteuergesetz (EStG) ohne zeitliche Begrenzung des Verlustvortrages sei gemäß § 52 Abs. 13 d EStG 1990 erstmals auf nicht ausgeglichene Verluste des Veranlagungszeitraums 1985 anzuwenden. Für Verluste vorangegangener Veranlagungszeiträume gelte somit weiterhin die Begrenzung auf fünf Jahre. Durch die Vorschrift des § 52 Abs. 13 d EStG habe der Gesetzgeber eine eindeutige zeitliche Anwendungsregelung geschaffen. Damit bestünde für Billigkeitsmaßnahmen grundsätzlich kein Raum mehr, denn diese dürften nicht die Geltung des Gesetzes unterlaufen, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Im Streitfall lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber mit der eindeutigen Anwendungsregelung nicht auch bewusst den vorhersehbaren Eintritt von Härten in Kauf genommen habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht durch die Neufassung des § 10 d EStG als solche. Nach dem Bericht des Finanzausschusses des Bundestages (Bundestagsdrucksache 11/2536, Seite 22, 52 und 78) sei die Abschaffung der Befristung erfolgt, um die Liquidität kleinerer und mittlerer Unternehmen zu verbessern, einen Ausgleich für die Versagung des Verlustabzugs nach einem sog. Mantelkauf zu schaffen und die Rechtslage entsprechend den Harmonisierungszielen der EG Kommission anzupassen. Bedenken wegen der Begrenzung in der Vergangenheit sei nicht Gegenstand der Beratung und demnach nicht Grund für die Änderung gewesen.
Im Streitfall träten auch keine besonderen Umstände hinzu, die den zeitlich beschränkten Verlustvortrag als unvereinbar mit den Wertungen des Gesetzgebers und damit unbillig erscheinen ließen. Eine Erhebung der Einkommensteuer könne nach der Rechtsprechung des BFH zwar dann sachlich unbillig sein, wenn das Zusammenwirken mehrerer Regelungen des Einkommensteuerrechts zu einer zu hohen Steuerschuld...