Leitsatz (amtlich)
1. Das Recht am Arbeitsplatz ist kein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes sonstiges Recht.
2. Wer Unterschlagungen am Arbeitsplatz durch Urkundenfälschungen ermöglicht, die den Tatverdacht auf einen völlig unbeteiligten Kollegen lenken, dem daraufhin fristlos gekündigt wird, ist verpflichtet, dem Arbeitgeber alsbald den wahren Sachverhalt so weit zu offenbaren, dass der Scheintäter umfassend entlastet wird.
3. Kommt der wahre Täter dieser Verpflichtung nicht nach, haftet er für den gesamten aus dem Arbeitsplatzverlust entstandenen Schaden auch dann, wenn der Geschädigte den Kündigungsschutzprozess aus vertretbaren Erwägungen vergleichsweise beendet hat.
Normenkette
BGB §§ 249, 254, 823 Abs. 1-2, § 824 Abs. 1, § 826; StGB §§ 13, 164, 187
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 5 O 309/02) |
Tenor
1. Der Beklagten wird Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren versagt.
2. Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Trier vom 18.12.2002 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Frist zur Stellungnahme: 21.2.2003
Gründe
I. Die Parteien waren in einem Baumarkt beschäftigt. Ihnen oblag u.a. der Warenumtausch. In einer Vielzahl von Fällen stellte die Beklagte fingierte Rücknahmescheine aus und fälschte die Unterschrift der Klägerin. Diese zweite Unterschrift war hausintern erforderlich, damit die Beklagte sich den Kaufpreis für angeblich zurückgebrachte Ware auszahlen lassen konnte. Die Beklagte ist wegen der Veruntreuungen und Urkundenfälschungen zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Nachdem die Straftaten entdeckt worden waren, kündigte der Arbeitgeber auch der Klägerin fristlos, weil er zu Unrecht davon ausging, sie sei in die kriminellen Machenschaften der Beklagten verstrickt.
II. Ihren durch den Arbeitsplatzverlust verursachten Schaden hat die Klägerin auf 20.914 Euro beziffert und diesen Betrag nebst Zinsen geltend gemacht. Das LG hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt, ob es ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht am Arbeitsplatz gebe, könne dahinstehen. Denn die Ersatzpflicht der Beklagten folge aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 164 StGB. Für die falsche Verdächtigung sei ausreichend, dass die Strafanzeige gegen die Klägerin mittelbar durch die Arbeitgeberin der Parteien erstattet worden sei.
III. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. § 823 Abs. 1 BGB schütze nicht das Recht am Arbeitsplatz. Der Tatbestand des § 164 StGB sei nicht erfüllt, weshalb eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB ausscheide. Im Übrigen sei der Klägerin zuzumuten gewesen, den Arbeitsgerichtsprozess str. zu Ende zu führen, statt sich zu vergleichen. Da die Berufung nach alledem Erfolg verspreche, müsse Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
IV. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Prozesskostenhilfeantrag war abzulehnen, weil es an den sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehlt. Die Berufung ist i.E. aussichtslos. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
1. Die Berufung beanstandet die Rechtsansicht der Klägerin, ihr stehe wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu.
Ob im Recht am Arbeitsplatz ein „sonstiges Recht” zu sehen ist, wird kontrovers diskutiert. Ein Teil des Schrifttums lehnt ein solches absolutes Recht oder Rechtsgut ab (vgl. u.a. Zöllner, FS BAG, 1979, S. 745, 749; Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823 Rz. 27).
Andere Autoren befürworten die Annahme eines solchen absoluten Rechts (u.a. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetriebsVG, 18. Aufl., § 104 Rz. 9; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz. 152; KR-Etzel, 4. Aufl., § 104 BetriebsVG Rz. 74; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetriebsVG, 5. Aufl., § 104 Rz. 16; Däubler/Kittner/Klebe, BetriebsVG, 6. Aufl., § 104 Rz. 10; Gamillscheg, AcP 164, 385 [391]).
Das BAG hat zu der Frage zunächst gemeint (BAG, Urt. v. 30.9.1970 – 1 AZR 535/69, AP Nr. 2 zu § 70 BAT), es spreche einiges dafür, dass das Recht des Arbeitnehmers auf den Arbeitsplatz ein absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB sei. Davon ist das BAG in einer späteren Entscheidung wieder abgerückt, hat die Frage letztlich aber offen gelassen (vgl. BAG BAGE 89, 80 [91] = AP Nr. 7 zu § 823 BGB = EzA-SD 1998, Nr. 18, 5–8 = NJW 1999, 164 [166] = EzA § 823 BGB Nr. 9; v. 4.6.1998 – 8 AZR 786/96, DB 1998, 2617–2618 = AR-Blattei ES 1010.12 Nr. 6 = ZMV 1999, 47–48 = AiB 1999, 112–113 = BB 1999, 746 [747] = JZ 1999, 733 [735] = ArztR 1999, 242 [247]).
Nach Auffassung des erk. Senats wird das Recht am Arbeitsplatz nicht durch § 823 BGB geschützt. Ein absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht nur relativ in Bezug auf einzelne andere, sondern im Verhältnis zu allen anderen Personen existiert und von diesen zu beachten ist. Absolute Rechte werden daher auch als Ausschließungsrechte bezeichnet. Eine derartige Ausschlussfunktion kann dem „Recht am Arbeitsplatz” als Bündelung schuldrechtliche...