Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestunterhalt der nichtehelichen Mutter in den ersten 3 Jahren ohne Befristung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Unterhaltsbedarf wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes bemisst sich jedenfalls nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums, der unterhaltsrechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen pauschaliert werden darf (BGH FamRZ 2010, 357; FamRZ 2008, 1738, 1743). Dabei spielt es keine Rolle, ob die unterhaltsberechtigte Mutter zuvor erwerbstätig war oder - aus welchen Gründen auch immer - nicht arbeitete.

Ob freiwillige Leistungen Dritter, auf die der Unterhaltsberechtigte keinen Anspruch hat, unterhaltsrelevantes anrechenbares Einkommen darstellen, hängt grundsätzlich von dem Willen des Dritten ab. Geht dieser Wille dahin, dass nur der Beschenkte selbst unterstützt werden soll, so berührt die Zuwendung dessen Bedürftigkeit im Allgemeinen nicht (vgl. BGH FamRZ 1980, 40-43). Helfen die Eltern der Anspruchsberechtigten in persönlich wie finanziell schwierigen Situation durch mietfreies Wohnen aus, soll dies in aller Regel dem eigenen Kind zugutekommen, nicht aber den Unterhaltsschuldnerschuldner entlasten.

Betreuungsunterhalt gem. § 1615l BGB kann rückwirkend für ein Jahr nach Entstehung des Anspruchs ohne die verzugsbegründenden Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB verlangt werden, wenn bei der Geburt des Kindes nach § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB aus rechtlichen Gründen die Geltendmachung nicht möglich war.

Der Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter nach § 1615l BGB ist vor Ablauf der 3 Jahre nicht zu befristen. Nach § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB besteht die Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Schon hieraus ist abzuleiten, dass die drei Jahre eine Mindestdauer benennen, ohne dass mit Ablauf der drei Jahre automatisch der Anspruch endet. In aller Regel wird man vor Ablauf der drei Jahre für die Zukunft keine sichere Betreuungs- und Erwerbsobliegenheitsprognose abgeben können, die eine Befristung auf drei Jahre und damit einen Verlust des Anspruchs rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB §§ 1615l, 1613 Abs. 1, 2 Nr. 2a

 

Verfahrensgang

AG Brühl (Beschluss vom 16.11.2011; Aktenzeichen 32 F 148/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Brühl vom 16.11.2011 - 32 F 148/11 - wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird angeordnet.

Die Rechtsbeschwerde wird zu den Fragen zugelassen, ob Voraussetzung für die Geltendmachung rückständigen Unterhalts nach § 1615l BGB die vorherige Inverzugsetzung des Unterhaltsschuldners ist, und ob der Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB generell auf drei Jahre zu befristen ist.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die gemeinsamen Eltern des am 9.4.2010 geborenen Kindes M.. Sie waren etwa drei Jahre ein Paar, ohne miteinander verheiratet gewesen zu sein, und lebten für etwa ein halbes Jahr bis kurz nach der Geburt des Kindes zusammen. Mit Vaterschaftsanerkenntnisurkunde der Stadt F. vom 7.6.2010 - Urkunden-Reg.-Nr. 00/10 XX - erkannte der Antragsgegner die Vaterschaft des Kindes an. Er zahlt zur Zeit Kindesunterhalt i.H.v. 225 EUR.

Für die Antragstellerin zahlt der Antragsgegner keinen Betreuungsunterhalt. Die Antragstellerin verfügt derzeit über eine Erwerbsunfähigkeitsrente i.H.v. 551,26 EUR monatlich. Nach der Trennung der Beteiligten ist sie zu ihren Eltern gezogen und wohnt dort mit ihrer Tochter.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.3.2011 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, monatlichen Betreuungsunterhalt in Höhe der Differenz zwischen dem Mindestunterhaltsbedarf einer Nichterwerbstätigen von 770 EUR und der bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente von 551,26 EUR = 218,74 EUR ab 6 Wochen vor der Geburt des Kindes zu zahlen und zwar bis zum 31.3.2011 einen Unterhaltsrückstand von 2.952,99 EUR und ab April 2011 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes M. laufend monatlich 218,74 EUR.

Der Antragsgegner verfügt über ein monatliches Nettohaupterwerbseinkommen von rd. 1.664 EUR sowie über weiteres Einkommen aus einer Nebentätigkeit als Hausmeister i.H.v. monatlich 189 EUR. Berufsbedingte Fahrtkosten fallen bei ihm i.H.v. 179 EUR an. Er zahlt eine Miete von 510 EUR und leistet zusätzliche Altersvorsorge.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, der Antragsgegner sei leistungsfähig. Sie hat gemeint, auf ihren Bedarf von 218,74 EUR brauche sie sich schon deswegen keinen Wohnvorteil anrechnen zu lassen, weil sie, so hat sie behauptet, an ihre Eltern Miete zahle. Im Übrigen könne sie auch ohne Inverzugsetzung im Nachhinein für ein Jahr ab Geltendmachung rückständigen Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB verlangen. Dieser sei auch nicht auf drei Jahre zu befristen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. ab Mai 2011 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 218,74 EUR und

2. einen rückständigen Unt...

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