Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkung der öffentlichen Bekanntmachung des Verfügungsverbots im Internet; Leistung nach § 82 InsO
Normenkette
InsO §§ 9, 82
Verfahrensgang
LG Stralsund (Urteil vom 06.12.2005; Aktenzeichen 3 O 50/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 6.12.2005 verkündete Urteil des LG Stralsund - 3 O 50/05 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 10.144,75 EUR.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger fordert von der Beklagten Bezahlung einer Rechnung vom 31.7.2004 i.H.v. 10.144,75 EUR. Der Schuldner H. hatte Bewachungsleistungen für die Beklagte erbracht. Das AG Lübeck ordnete am 17.8.2004 auf den Antrag vom 1.7.2004 die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO über das Vermögen des H. an und verbot dessen Schuldnern, an diesen zu zahlen. Dies wurde am 17.8.2004 im Internet veröffentlicht und in den "Lübecker Nachrichten" am 20.8.2004. H. bevollmächtigte den Zeugen B., seinen Subunternehmer zur Empfangnahme des Geldes, da er infolge der Verfügungsbeschränkung nicht mehr über sein Konto verfügen und dessen Vergütung nicht überweisen konnte. Die Beklagte zahlte den streitgegenständlichen Betrag am 20.8.2004 in bar an den Zeugen B. aus. Der Kläger hat mittlerweile den Zeugen B. vor dem LG Stralsund auf Rückzahlung des streitgegenständlichen Betrages verklagt.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte das Geld mit befreiender Wirkung an den Zeugen ausgezahlt hat.
Der Kläger trug vor, die Beklagte und deren Muttergesellschaft, die M. GmbH in I. hätten am 20.8.2004 Kenntnis von dem Eröffnungsantrag gehabt.
Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
Das LG hat zunächst die Beklagte mit Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß zur Zahlung verurteilt, dieses jedoch anschließend nach Beweisaufnahme wieder aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt das LG aus, die Beklagte habe bewiesen, dass sie keine Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt habe, sodass sie gem. § 82 Abs. 1 InsO befreit worden sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlich gestellten Zahlungsantrag weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, die Beklagte habe nicht mit befreiender Wirkung an den Zeugen B. leisten können. Das LG habe die Rechtswirkung des § 9 InsO verkannt. Die Veröffentlichung im Internet sei eine solche im Sinne dieser Vorschrift. Damit gelte die Bekanntmachung am 19.8.2004 als bewirkt.
Bei der Beklagten handele es sich um eine Konzerntochter. Der Zahlungsverkehr sei über die M. GmbH organisiert worden. Die Muttergesellschaft der Beklagten habe Zahlungen auf das Konto der Gemeinschuldnerin geleistet. Die hier vorgenommene Barzahlung sei absolut unüblich gewesen. In der Vergangenheit habe der Zeuge B. für seine Leistungen immer Verrechnungsschecks von dem Schuldner erhalten. Der Zeuge H. habe ausgesagt, er habe der Beklagten mitgeteilt, dass sein Konto nicht mehr zur Verfügung stehe. Im Übrigen verweist der Kläger auf das Urteil des BGH vom 15.12.2005 zur Kenntnis eines Kreditinstituts von insolvenzbedingten Verfügungsbeschränkungen bei Leistungen an den Schuldner, wonach eine Unternehmensorganisation zur Eigeninformationsbeschaffung und zum Informationsaustausch zwischen konzernverbundenen Unternehmen verpflichtet sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Stralsund vom 6.12.2005 abzuändern und unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 30.6.2005 die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, 10.144,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.11.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Beklagte Zug um Zug gegen Abtretung der Anfechtungsansprüche des Klägers gegen den Zeugen B. zu verurteilen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, die Bezahlung des Schuldners sei nicht zwingend über die Muttergesellschaft erfolgt. Die lokalen Gesellschaften könnten sich der Dienste der zentralen Buchhaltung bedienen, müssen dies jedoch nicht. Vorliegend sei eine Ausnahmesituation gegeben gewesen, die die Barauszahlung als sinnvolle Ausnahme gerechtfertigt habe. Die von dem Kläger zitierte BGH-Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da es sich dabei um einen Vorfall innerhalb einer Bankfiliale gehandelt habe. Gemäß § 82 InsO komme es nur auf positive Kenntnis an. Bloßes Kennenmüssen reiche nicht aus. Die Beklagte habe mit der Anhörung ihres Geschäftsführers und der Zeuge...