rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienleistungsausgleich. Kindergeldanspruch bei unentgeltlich ausgeübtem freiwilligen sozialen Jahr im außereuropäischen Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1. Zwar sind nach dem Wortlaut von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres nur im Inland und im Europäischen Ausland geleistete Dienste kindergeldrechtlich zu berücksichtigen.
2. Es besteht aber aufgrund einer analogen Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG auch ein Kindergeldanspruch bei Ableistung der durch die Vorschrift begünstigten Dienste im außereuropäischen Ausland, wenn der jeweilige Dienst von dem Kind unentgeltlich bzw. nur gegen Unterkunft, Verpflegung und ein geringes Taschengeld geleistet wird (hier: Volontariat der volljährigen Tochter im Rahmen eines Freiwilligen sozialen Jahres in Israel).
Normenkette
EStG 2000 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d, a, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2; SozDiG § 1 Abs. 1-2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2000 verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum Mai 2000 bis April 2001 für das Kind D Kindergeld in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 19.10.1978 geborene Tochter der Klägerin D leistete in der Zeit vom 02.05.2000 bis zum 30.04.2001 Volontärsarbeit in Israel unter der Trägerschaft von „D”, eines Arbeitszweiges des kirchlichen Sozialwerkes H e. V., Mitglied im Diakonischen Werk. Der Arbeitszweig „D” hat einen vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter in Jerusalem, unter dessen Betreuung der Einsatz der Volontäre in israelischen Sozialeinrichtungen erfolgt. Dabei nimmt der Dienstleistende an einem Einführungsseminar in Jerusalem und an Wochenendseminaren teil, und er wird während des gesamten Arbeitseinsatzes fachlich begleitet. Der Einsatz des Kindes D fand in einem Altenheim statt, wo D bei zwei freien Tagen pro Woche in Schichten von 7.00 bis 14.00 Uhr oder von 15.00 bis 22.00 Uhr in der Patientenpflege arbeitete sowie Küchendienst verrichtete oder Betten machte. D erhielt neben einem Zimmer und drei Mahlzeiten täglich ein Taschengeld von 200 DM monatlich sowie dreimal pro Woche einen jeweils 4-stündigen Hebräisch-Kurs. Die Reisekosten nach und in Israel sowie sämtliche Versicherungskosten wurden von ihr selbst getragen.
Unter dem 15.08.2000 beantragte die Klägerin Kindergeld für ihre Tochter D für Mai 2000 bis April 2001, was der Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2000 ablehnte. Der dagegen eingelegte Einspruch der Klägerin vom 18.10.2000 wurde vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2000 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 03.01.2001 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie habe einen Anspruch auf die Gewährung von Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d Einkommensteuergesetz – EStG -. Der Dienst ihrer Tochter erfülle die Fördervoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres – SozDiG -. Sofern in § 1 Abs. 2 SozDiG geregelt sei, dass das Soziale Jahr auch im Europäischen Ausland geleistet werden könne, wenn der Träger seinen Hauptsitz im Inland habe, so stelle dies keine Förderbeschränkung dar. Selbst wenn man jedoch davon ausgehe, dass durch die Regelung eine Einschränkung auf soziale Dienste in Deutschland und im Europäischen Ausland habe erfolgen sollen, gehöre Israel unabhängig von seiner geographischen Zugehörigkeit in politischer und kultureller Hinsicht zu Europa. Darüber hinaus stelle die Volontärstätigkeit des Kindes D eine Berufsausbildung i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar. D habe im streitgegenständlichen Zeitraum beabsichtigt, nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ein Fachabitur abzulegen sowie ein Studium in sozialer Richtung zu beginnen, welches auf ihre Volontärstätigkeit aufbaue. Tatsächlich habe das Kind später ein Volontariat im journalistischen Bereich beim Christlichen Medienverband K begonnen. Hierbei handele es sich um eine Nachrichtenagentur, für die die Tochter der Klägerin ausschließlich über Israel berichte.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagen vom 2. Oktober 2000 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 4. Dezember 2000 aufzuheben und der Klägerin antragsgemäß Kindergeld für die Tochter D zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Israel befinde sich nicht in Europa, sondern im Nahen Osten. Den Angaben der Klägerin lasse sich auch nicht in hinreichender Weise das Berufsziel ihrer Tochter entnehmen, um feststellen zu können, ob die streitbefange...