Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Entscheidung der Zulassungsgremien über die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung. Verwertbarkeit der Feststellung eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs durch den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 100 Abs 3 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zulassungsgremien dürfen sich in einem Vergleich zur Erteilung der Zulassung als Vertragsarzt verpflichten.

2. Beim Abschluss eines Vergleichs über eine Sonderbedarfszulassung halten die Zulassungsgremien ihren Beurteilungsspielraum ein, wenn die getroffene Regelung in den feststehenden Tatsachen eine tragfähige Grundlage hat und aus dem Kontext des Vertragsschlusses die dafür maßgeblichen Erwägungen mit hinreichender Deutlichkeit hervorgehen.

3. Die Zulassungsgremien dürfen bei ihren Bedarfsermittlungen die Feststellungen des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über einen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf nach § 100 Abs 3 SGB 5 verwerten.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 20. Oktober 2008 aufgehoben und die sofortige Vollziehung der durch den Beschluss des Antragsgegners vom 09. Juli 2008 erteilten Sonderbedarfszulassung bis zum Abschluss des gegen diesen Beschluss gerichteten Hauptsacheverfahrens angeordnet.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 32.500,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Im Streit steht die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer erteilten Sonderbedarfszulassung.

Der Antragsteller ist Facharzt für Innere Medizin/Gastroenterologie. Er beantragte mit Schreiben vom 05.01.2007 eine Sonderbedarfszulassung für die fachärztliche Erbringung gastroenterologischer Leistungen in Gemeinschaftspraxis mit dem bereits zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Facharzt für Innere Medizin/Gastroenterologie Dr. H1 . Der Zulassungsausschuss Ärzte Dresden lehnte den Antrag mit Beschluss vom 26.02.2007 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Beschluss vom 23.05.2007, ausgefertigt am 30.07.2007, zurück. Angesichts der Versorgungssituation komme eine Sonderbedarfszulassung weder auf der Basis eines weiteren besonderen Versorgungsbedarfs an gastroenterologischen Leistungen noch vor dem Hintergrund eines lokalen Versorgungsbedarfs in Betracht.

Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller am 31.08.2007 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage (Az. S 18 KA 1454/07). Seit der ausschließlichen Erbringung durch Fachärzte seien im Planungsbereich die Gastroskopien und Koloskopien rückläufig, womit ein Mangel an gastroenterologischen Leistungen deutlich werde. Unerheblich sei, ob aufgrund der Punktmengenbegrenzung im Honorarverteilungsmaßstab Leistungen nur noch in vermindertem Umfang erbracht würden. Für einen jährlichen Leistungsbedarf von 4.742 Gastroskopien, 474 kurativen Koloskopien und 1.271 totalen Koloskopien reichten die drei vorhandenen Leistungserbringer nicht aus. Bei einem Gesamtaufwand von 5.551,5 Stunden für diese Leistungen müsste jeder dieser drei Ärzte dafür 1.850 Stunden im Jahr erbringen. Angesichts der bei den Psychotherapeuten angenommenen Belastungsgrenze von 1.548 Stunden Arbeitszeit im Jahr müsse von einer Überlastung der gastroenterologischen Leistungserbringer ausgegangen werden.

Mit Beschluss vom 10.09.2007 ließ der Zulassungsausschuss Ärzte Dresden den Antragsteller auf der Grundlage von § 101 Abs. 1 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. §§ 23a ff. Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte (Bedarfsplanungs-RL-Ärzte) im Wege des Job-Sharing als Facharzt für Innere Medizin/Gastroenterologe mit Leistungsbeschränkung in Gemeinschaftspraxis mit Dr. H1 in G. zur vertragsärztlichen Versorgung zu.

Nachdem der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 29.01.2008 gemäß § 100 Abs. 3 SGB V im Umkreis von 30 km um die Stadt G. einen lokalen Versorgungsbedarf für Leistungen des Schwerpunktes Gastroenterologie in Höhe einer 0,5 Stelle für die Dauer von zwei Jahren festgestellt hatte, beantragte der Antragsteller unter dem 20.02.2008 die Übernahme des festgestellten lokalen Versorgungsbedarfs mit einem halben Vertragsarztsitz in Gemeinschaftspraxis mit Dr. H1 jedoch ohne Job-Sharing. Der Zulassungsausschuss Ärzte Dresden lehnte den Antrag mit Beschluss vom 03.03.2008 ab. Aus der Feststellung zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs durch den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ergebe sich kein frei werdender Vertragsarztsitz, sondern lediglich eine mögliche Punktmengenausweitung zur zeitlich begrenzten Deckung eines lokalen Versorgungsbedarfs. Zudem komme eine Erhöhung der Punktmenge nur bei angestellten Ärzten mit Leistungsbeschränkung (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V) in Betracht, nicht aber bei einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V).

Der Antragsteller legte Widerspruch ein und wies in dem beim SG geführten Klagever...

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