Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bekanntgabe und Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes
Orientierungssatz
1. Die Wirksamkeit eines ergangenen Verwaltungsaktes setzt voraus, dass dessen Bekanntgabe nachgewiesen ist. Hierzu ist erforderlich, dass die Behörde dem Adressaten vom Inhalt des Verwaltungsaktes willentlich Kenntnis verschafft hat. Eine zufällige Kenntnisnahme reicht nicht aus.
2. Ein fehlender Nachweis der Bekanntgabe des Bescheides hat zur Folge, dass der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid rechtswidrig und damit aufzuheben ist.
3. Ein ergangener Verwaltungsakt ist inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn für den Betroffenen vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, was die Behörde regelt. Bei einem Erstattungsbescheid ist notwendig, dass im Verfügungssatz entweder der Erstattungsbetrag beziffert wird oder der Verfügungssatz auf Anlagen oder sonstige Unterlagen verweist, aus denen sich zweifelsfrei der Erstattungsbetrag ersehen lässt.
Tenor
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. November 2007 sowie der Bescheid vom 4. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2006 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheid streitig.
Auf den Antrag des 1985 geborenen Klägers bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 1. März 2005 Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 18. Januar 2005 bis 31. Juli 2005. Für die Zeit ab 1. März 2005 betrugen die Leistungen 410,21 EUR monatlich.
Seit 1. März 2005 bewohnte der Kläger eine eigene Wohnung. Mit Schreiben vom 4. März 2005 teilte die Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit Zwickau - Familienkasse) der Mutter des Klägers mit, dass das Kindergeld wunschgemäß ab März 2005 auf das Konto des Klägers angewiesen worden sei.
Daraufhin erließ die Beklagte am 22. März 2005 einen Änderungsbescheid, in dem die Leistungen für die Zeit vom 1. März 2005 bis 31. Juli 2005 wegen des Kindergeldbezuges ab März 2005 auf 256,21 EUR monatlich herabgesetzt wurden. Die Beklagte wies zugleich darauf hin, dass eine Überzahlung in Höhe von 154 EUR entstanden sei, worüber der Kläger einen gesonderten Bescheid erhalten werde. Einen weiteren, den Monat Juli 2005 betreffenden Änderungsbescheid erließ die Beklagte am 27. Mai 2005.
Nach vorheriger Anhörung des Klägers entwarf die Beklagte am 4. Mai 2005 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, dessen Verfügungssatz wie folgt lautet: “die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II wird für die Zeit vom 01.03.05 bis 31.05.05 teilweise aufgehoben. Die zu Unrecht gezahlten Leistungen sind von ihnen zu erstatten.„ Der Bescheid wurde auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) und § 50 Abs. 1 SGB X gestützt und damit begründet, dass der Kläger Einkommen aus Kindergeld erzielt habe.
Der Kläger legte am 8. August 2005 Widerspruch ein. Den zugleich gestellten Wiedereinsetzungsantrag begründete er damit, dass er den Bescheid vom 4. Mai 2005 nicht erhalten und erst auf Grund der Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes E. vom 4. August 2005 von der Forderung der Agentur für Arbeit und einem Bescheid vom 4. Mai 2005 Kenntnis erlangt habe. Nach erfolgter Akteneinsicht trug er weiter vor, dass er den Bescheid vom 4. Mai 2005 bislang nicht erhalten habe. Hierfür spreche auch, dass in der Leistungsakte nur ein Entwurf des Bescheides beiliege und sich kein Vermerk über die Aufgabe zur Post finde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2006 als unbegründet zurück. Dem Klägerbevollmächtigten sei im Widerspruchsverfahren Akteneinsicht gegeben worden. Mit Postzustellungsurkunde sei diesem am 21. September 2005 der angefochtene Verwaltungsakt bekannt gegeben worden. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Mai 2005 sei durch die Widerspruchsstelle nochmals geprüft worden; Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien nicht ersichtlich.
Der Kläger hat hiergegen am 21. Juni 2006 Klage erhoben und zunächst vorgetragen, dass das Kindergeld im März 2005 noch an seine Mutter und erst ab April 2005 an ihn gezahlt worden sei. Ausweislich eines im Erörterungstermin vom 5. Juni 2007 vorgelegten Kontoauszuges ist auf dem Konto des Klägers mit Buchungstag 11. März 2005 eine Zahlung der Familienkasse Z. in Höhe von 154 EUR eingegangen. In dem Erörterungstermin hat der Kläger sodann die fehlende Bestimmtheit des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides gerügt, weil in diesem der aufgehobene Bescheid nicht genau bezeichnet sei. In dem nachgereichten Schriftsatz vom 22. Juni 2007 hat der Kläger ferner gerügt, dass nicht deutlich werde, ob sich die Erstattung auf die Regelleistung oder auf die Kosten für Unterkunft und Heizung beziehe. Dies sei aber im Hinb...