Rz. 45
Durch das Jahressteuergesetz 2009 wurde zusammen mit der Möglichkeit, die elektronische Buchführung in das EU-Ausland und weitere Länder zu verlagern (vgl. Rz. 35ff.), auch eine neue Sanktionsmöglichkeit für die Finanzverwaltung geschaffen. Diese wird als Verzögerungsgeld bezeichnet. Die Rechtsgrundlage findet sich nunmehr in § 146 Abs. 2c AO. Trotz der Stellung in § 146 AO betrifft das Verzögerungsgeld nicht nur Fälle der Verlagerung der elektronischen Buchführung, sondern geht weit darüber hinaus. Teilweise wird vertreten, das Verzögerungsgeld sei in allen Verfahrensstadien anwendbar oder aber nur im Rahmen des Transfers der Buchführung. Tatsächlich beschränkt sich der Anwendungsbereich jedoch neben Fällen der Weigerung der Rückverlagerung der elektronischen Buchführung in das Inland bzw. der Nichtanzeige von Veränderungen im Ausland auf Fälle innerhalb einer Außenprüfung, nicht allein einer Betriebsprüfung. Dies hat der BFH nunmehr ausdrücklich bestätigt. Dies gilt auch, wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geprüft werden oder wenn bei einem nicht buchführungspflichtigen Stpfl. eine Außenprüfung durchgeführt wird. Im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau gem. § 27b UStG, der Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG oder der Kassen-Nachschau nach § 146b AO ist § 146 Abs. 2b AO nicht anwendbar, da es sich bei der Umsatzsteuer-Nachschau oder der Lohnsteuer-Nachschau eben nicht um eine Außenprüfung handelt. Das BMF hat die Verwaltungsansicht zu einigen wesentlichen aber durchaus nicht allen Fragen das Verzögerungsgeld betreffend in einem Fragen-und-Antworten-Katalog niedergelegt, der über die Homepage des BMF abgerufen werden kann. Derzeit ist die Fassung v. 28.9.2011 aktuell.
Rz. 46
Die Regelung des Verzögerungsgelds in § 146 Abs. 2c AO ist als schwerer systematischer Fehlgriff des Gesetzgebers anzusehen. Wenn denn schon ein Bedürfnis für ein solches Sanktionierungsinstrument besteht, was durchaus fraglich ist, da anderweitige, angemessene Instrumentarien zur Durchsetzung der Ansinnen der Verwaltung in der AO bereits vorhanden sind, wäre es zutreffend gewesen, dieses neue Sanktionsinstrument im Rahmen der §§ 193ff. AO zu regeln. Mit Wirkung zum 1.1.2025 hat der Gesetzgeber ein neues Sanktionsinstrument in Form des Mitwirkungsverzögerungsgeldes nach § 200a AO geschaffen. Dieses ersetzt für Mitwirkungsverlangen im Rahmen einer Betriebsprüfung das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2c AO. Der Gesetzgeber hat damit seinen Fehler korrigiert. Teilweise wird auch die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung in Zweifel gezogen. Dem wird man so nicht folgen können, da der Gesetzgeber grundsätzlich nicht daran gehindert ist, ein neues Sanktionsinstrument einzuführen. Gleichwohl ist die Regelung zu kritisieren. Die Ansicht der Finanzverwaltung, es bedürfe eines solchen Instrumentariums, überzeugt nicht (s. a. Frage 1 des Fragenkatalogs des BMF). Das Verzögerungsgeld verschiebt das Kräfteverhältnis im Rahmen einer Betriebsprüfung weiter zugunsten der Finanzverwaltung. Die Regelung sollte überarbeitet oder besser gleich ganz abgeschafft werden.