Rz. 12
Unter § 35 AO können Generalbevollmächtigte ebenso fallen wie Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte, aber auch mit Vollmacht für kleinere Bereiche ausgestattete Personen, wie z. B. der Hausmakler, der für eine Grundstücksverwaltung vom Eigentümer völlig freie Hand erhalten hat. In Betracht kommen auch alle Personen, die in einem Geschäft neben dem Inhaber bzw. den Geschäftsführern über Geschäftsvermögen verfügen können. Das kann in einer Gesellschaft auch der beherrschende Gesellschafter sein, der zwar nicht gesetzlicher Vertreter ist, aber als Verfügungsberechtigter auftritt und rechtlich und tatsächlich die steuerlichen Pflichten erfüllen kann.
Rz. 13
Deswegen ist eine Bank, die erheblichen wirtschaftlichen Druck auf die Verfügungen des Stpfl. ausüben kann, regelmäßig nicht Verfügungsberechtigter, auch wenn sie im Einzelfall aufgrund einer Globalabtretung oder auf ähnliche Weise bestimmen kann, wie der Schuldner einer Darlehensforderung verfahren kann oder muss. Trotz in diesen Fällen bestehender faktischer Kontrollrechte hat die Bank nur in besonders gelagerten Fällen eine Verfügungsbefugnis. Allein die Möglichkeit, durch wirtschaftlichen Druck auf die Verfügungen des Kunden einzuwirken, reicht nicht aus. Es fehlt die rechtliche Möglichkeit zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten.
Rz. 14
Steuerliche Berater sind regelmäßig nur Bevollmächtigte, nicht dagegen Verfügungsberechtigte. Zwar berechtigt eine ohne nähere Umschreibung erteilte Vollmacht nach § 80 Abs. 1 S. 2 AO zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen. Das bedeutet jedoch keine Verfügungsmacht. Nur wenn der steuerliche Berater von seinem Mandanten darüber hinausgehende Verfügungsrechte eingeräumt erhalten hat (z. B. Zeichnung von Schecks, Verfügungen über Bankkonten des Mandanten) und er dies nach außen erkennbar werden lässt, kommt eine Anwendung des § 35 AO infrage. Gerade wegen der Angehörigen der steuerberatenden Berufe hat der Gesetzgeber den § 35 AO mit dem Erfordernis der Verfügungsberechtigung enger als die Vorgängervorschrift des § 108 RAO formuliert.
Rz. 15
Ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis fällt i. d. R. auch dann nicht unter § 35 AO, wenn die Verfügungen des Schuldners gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Er ist auch dann nicht verfügungsberechtigt i. S. d. § 35 AO, wenn er die ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Verwaltungsbefugnisse überschreitet und tatsächlich über Gelder des Insolvenzschuldners verfügt, denn ohne Mitwirkung des Insolvenzgerichts kann er sich nicht die rechtliche Befugnis verschaffen, über das Vermögen des Schuldners zu verfügen.
Nur bei ihm ergänzend rechtsgeschäftlich eingeräumter Befugnis zur weitreichenden Einflussnahme auf die Fortführung des Betriebs des Schuldners kann ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt in Ausnahmefällen einmal zum Verfügungsberechtigten i. S. d. § 35 AO erstarken.
Rz. 16
In Treuhandverhältnissen ist der Treuhänder sehr häufig Verfügungsberechtigter. Da er auch entsprechend auftritt, fällt er unter § 35 AO, obwohl er bürgerlich-rechtlich regelmäßig bereits der eigentliche Berechtigte (Eigentümer) ist. Da steuerlich die Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen sind, kann § 35 AO zum Tragen kommen. Denn § 35 AO bezweckt, dass neben dem Abgabepflichtigen, also demjenigen, dem die Wirtschaftsgüter nach § 39 AO zugerechnet werden, die Personen für dessen steuerliche Verpflichtungen verantwortlich zu machen, die nach außen über dessen Mittel verfügen.
Der Strohmann, der grundsätzlich dem Treuhänder gleichgestellt wird, ist allerdings für die USt abweichend zu behandeln.
Rz. 17
Bei Sicherungsübereignungen ist § 35 AO im Normalfall nicht anzuwenden, da hier der Sicherungsgeber als wirtschaftlicher Eigentümer auch allein verfügungsberechtigt bleibt. Nur wenn der Sicherungsnehmer besondere Verfügungsrechte eingeräumt erhalten hat und entsprechend auftritt, gilt § 35 AO.
Rz. 18
Der indirekte Stellvertreter (z. B. Kommissionär, Spediteur) ist durch Rechtsgeschäft zu Verfügungen im eigenen Namen berechtigt. Eine Anwendung des § 35 AO auf ihn kommt jedoch wegen seiner meist sehr eingeschränkten Rechte sehr selten in Betracht.
Kein Anwendungsfall des § 35 AO ist auch gegeben, wenn ein Wageninsasse bei der Einreise mehrerer Personen in einem Pkw die Zollformalitäten erledigt, ohne einschränkende Erklärungen abzugeben. Diese Person mag als Verfügungsberechtigter auftreten. Die von § 35 AO geforderte rechtliche und tatsächliche Erfüllbarkeit der steuerlichen Pflichten dürfte bei dieser Person jedoch nicht oder nur in einem ganz geringen Umfang gegeben sein. Stellt ein Spediteur abweichend von § 407 Abs. 1 HGB einen Zoll- oder Einfuhrumsatzsteuerantrag im Namen eines Dritten, fällt er nicht unter § 35 AO. Die Vollmacht zur Zollanmeldung und zum Zollantrag schließt die V...