Dr. Karsten Webel, Dr. Wolfgang Dumke †
Rz. 197
Die Strafzumessung hat gem. § 46 Abs. 1 S. 1 StGB nach der Schuld des Tatbeteiligten zu erfolgen (s. § 369 AO Rz. 85a). Dieses aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip entspringende verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens fordert für eine Bestrafung zum einen das Vorliegen von Schuld und zum anderen ein angemessenes Verhältnis zwischen Verschulden und Sanktion.
Die Strafzumessung richtet sich nach der Schwere der Tat, ihrer Bedeutung im Rahmen der Rechtsordnung und dem Grad der persönlichen Schuld des einzelnen Tatbeteiligten. Die Strafe muss entsprechend dem Unrechtsgehalt der Tat festgesetzt werden. Hierbei steht dem Strafgericht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens (s. Rz. 176, 203) ein Beurteilungsspielraum zu.
Bei der Bemessung der Strafe für die Beihilfe zur Steuerhinterziehung (zur Milderung s. Rz. 181) ist maßgeblich das im Gewicht des Tatbeitrags des Gehilfen zum Ausdruck kommende Maß seiner Schuld, wenn auch unter Berücksichtigung des ihm zurechenbaren Umfangs und der Folgen der Haupttat.
Rz. 197a
Die Schuld des Tatbeteiligten ist der Hauptgesichtspunkt der Strafzumessung. Hiervon ausgehend kann das Gericht bei der Strafzumessung auch generalpräventive oder spezialpräventive Gesichtspunkte berücksichtigen. Diese anderen Gesichtspunkte sind aber nur insoweit mitbestimmend, als sie die Strafe nicht vom Schuldprinzip lösen dürfen.
Rz. 198
Bei der Strafzumessung sind auch nach § 46 Abs. 1 S. 2 StGB die Wirkungen zu berücksichtigen, die durch die Strafe für das zukünftige Leben des Tatbeteiligten in der Gesellschaft zu erwarten sind. Hierzu zählen auch die Wechselwirkungen der aufeinander abzustimmenden Strafen und strafrechtlichen Nebenfolgen (s. Rz. 243), z. B. die Einziehung nach § 375 AO. Auch zwingende disziplinarrechtliche Rechtsfolgen bei der Straftat eines Beamten (s. Rz. 257) sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Auch das drohende Berufsverbot (s. Rz. 247) ist zu berücksichtigen (s. Rz. 217).
Rz. 199
Bei Steuerhinterziehungen mit geringem Unrechtsgehalt kann von der Strafverfolgung abgesehen und das Verfahren eingestellt werden (s. Rz. 173; s. Erl. zu § 398 AO).
Rz. 199a
Bei der Strafaussetzung zur Bewährung (s. Rz. 176) ist nach § 56 Abs. 1 StGB auf die Sozialprognose abzustellen, ob zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkungen des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Hierbei darf zulässiges Verteidigungsverhalten sich nicht zulasten des Angeklagten auf die Prognoseentscheidung auswirken. Der Wille des Gerichts, dem Tatbeteiligten für eine zu verhängende Freiheitsstrafe eine Strafaussetzung auf Bewährung (s. Rz. 176) zu bewilligen, darf aber nicht dazu führen, dass die schuldangemessene Strafe (s. Rz. 197) unterschritten wird. Um die Schuldangemessenheit der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zu erhalten, muss ggf. eine weitere Sanktion, z. B. eine Geldstrafe, zusätzlich (s. Rz. 178) ausgesprochen werden.
Ob eine Bewährung auszusprechen ist, richtet sich nach der Gesamtheit aller Milderungsgründe. Maßgeblich ist eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung, bei der Tat und Tatbeteiligter umfassend zu würdigen sind. Trotz eines größeren Unrechtsgehalts der Steuerhinterziehung kommt die Strafaussetzung zur Bewährung bei einem umfassenden Geständnis des Täters in Betracht, wenn dieser sich nicht bereichert und letztlich sogar sein eigenes Vermögen verloren hat. Die erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Entscheidung nach § 56 Abs. 3 StGB stets zu berücksichtigen; wird sie auf die Strafe angerechnet, so kommt eine Bewährungsaussetzung nur in Betracht, wenn die Freiheitsstrafe durch die Anrechnung noch nicht verbüßt ist. Auch die lange Verfahrensdauer (s. Rz. 228) ist zu berücksichtigen.
Bei einer "als Gewerbe" betriebenen Steuerhinterziehung, bei der der Tatbeteiligte jahrelang von der durch den Handel mit Scheinrechnungen einbehaltenen USt mit einem Lebensstil auf gehobenem Niveau lebt und hierzu ein hochkriminelles, gut durchorganisiertes und überaus profitables Steuerhinterziehungssystem installiert und betrieben hat, der Hinterziehungsschaden (s. Rz. 221) deutlich im Millionenbereich liegt und eine Schadenswiedergutmachung nicht stattgefunden hat, ist ein gerechter Schuldausgleich durch eine Strafaussetzung auf Bewährung kaum denkbar.
Rz. 200
Bei der Strafzumessung dürfen nach § 46 Abs. 3 StGB Umstände, die schon Merkmal des gesetzlichen Strafbestands sind, nicht nochmals berücksichtigt werden (s. § 369 AO Rz. 85). Demgemäß wirkt die Sozialschädlichkeit der Steuerhinterziehung nicht strafverschärfend. Der gesetzgeberische Zweck des Strafbestands darf sich bei der Strafzumessung nicht zulasten des Tatbeteiligten auswirken.
Rz. 201
Innerhalb des Strafrahmens (s. Rz. 176) hat das Gericht die schuldangemessene Strafe zu finden. Hierfür steht ihm ein Beurteilungs...