Rz. 16

Die Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ist grundsätzlich nicht von ihrer Festsetzung abhängig.[1] Die Festsetzung des Anspruchs durch die in § 218 Abs. 1 AO aufgezählten Verwaltungsakte hat nur deklaratorischen Charakter.[2] Diese Verwaltungsakte konkretisieren die entstandenen Ansprüche und bilden die Grundlage für ihre Verwirklichung. Nach § 85 AO sind die Finanzbehörden nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die wegen Verwirklichung eines stpfl. Tatbestands entstandenen Ansprüche festzusetzen und die Steuer zu erheben.[3]

Die betragsmäßige Abweichung der Festsetzung vom entstandenen Anspruch ist grundsätzlich ohne Bedeutung, da für die Entstehung der Anspruch in der nach dem materiellen Steuerrecht zutreffenden Höhe maßgebend ist.[4] Setzt das FA eine höhere als die nach dem Gesetz entstandene Steuer fest, wird in Höhe des übersteigenden Betrags kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis begründet. Wird der rechtswidrige Verwaltungsakt bestandskräftig, ist dem Stpfl. die Berufung auf die materielle Rechtslage jedoch aus verfahrensrechtlichen Gründen verwehrt.[5] Im Fall der Schenkungsteuer werden dem Schenker durch den gegen den Beschenkten ergangenen Schenkungsteuerbescheid – selbst wenn er bestandskräftig geworden ist – keine Einwendungen gegen Grund und Höhe des geltend gemachten Steueranspruchs abgeschnitten. Umgekehrt wird das FA durch die Steuerfestsetzung gegen den Beschenkten verfahrensrechtlich nicht in der Steuerfestsetzung gegen den Schenker eingeschränkt.[6]

Die Unabhängigkeit der Entstehung von der Festsetzung gilt auch für die Ansprüche auf die meisten steuerlichen Nebenleistungen, insbesondere für Säumniszuschläge[7], Kosten[8] und Zinsen.

§ 178 AO, der im Zollbereich durch Art. 52 UZK überlagert wird, jedoch sonst weiter anwendbar ist, stellt die Erhebung der Kosten für die besondere Inanspruchnahme der Zollbehörden nur scheinbar in deren Ermessen, weil die kostenpflichtigen Amtshandlungen durch § 2 Abs. 1 ZollkostV und die geregelt werden und die Entstehung der Gebührenschuld in § 4 Bundesgebührengesetz konkretisiert wird.

Die Zuschläge nach § 162 Abs. 4 und 4a AO entstehen dem Grunde nach ebenfalls durch Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands, d. h. durch die Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO bzw. nach § 12 StAbwG.[9] Die – für Fälle fehlenden oder geringen Verschuldens geltende – Regelung des § 162 Abs. 4 S. 6 bzw. Abs. 4a S. 2 AO hindert nicht die Entstehung, sondern nur die Festsetzung des Anspruchs. Lediglich hinsichtlich der Höhe des Zuschlags räumt das Gesetz den Finanzbehörden unter bestimmten Voraussetzungen einen nach Maßgabe des § 162 Abs. 4 S. 4 AO auszunutzenden Ermessensspielraum ein.

 

Rz. 17

Zwangsgelder gehören zu den in § 328 Abs. 1 S. 1 AO vorgesehenen Zwangsmitteln zur Durchsetzung von Verwaltungsakten, die auf Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sind. Ihre Festsetzung setzt ihre vorherige Androhung und den fruchtlosen Ablauf der für die Erfüllung der Verpflichtung bestimmten Frist voraus.[10] Auch wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, steht die Festsetzung des Zwangsgelds aber im Ermessen der Finanzbehörde. Statt z. B. die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung durch Festsetzung des angedrohten Zwangsgelds zu erzwingen, kann diese auch den Weg der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen[11] beschreiten. Der Anspruch auf Zwangsgeld entsteht daher nicht durch Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands, sondern erst durch den Festsetzungsakt der Finanzbehörde.[12]

Entsprechendes gilt auch für Verzögerungsgelder i. S. d. § 146 Abs. 2c AO, die festgesetzt werden können, wenn der Stpfl. der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2b S. 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i. S. d. § 200 Abs. 1 AO innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nicht nachkommt oder seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, und für Zollzuschläge nach § 32 Abs. 3 ZollVG, die erhoben werden können, wenn eine im grenzüberschreitenden Reiseverkehr begangene Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit gem. § 32 Abs. 1 ZollVG nicht verfolgt wird oder von der Verfolgung einer Steuerstraftat, die sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder auf Verbrauchsteuern bezieht, nach § 398 AO oder nach § 153 StPO abgesehen wird.

 

Rz. 18

Auch Verspätungszuschläge i. S. d. § 152 AO entstanden nach bisher geltendem Recht nicht mit der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands, d. h. der Nicht- oder nicht rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung ohne einen das Versäumnis entschuldbar erscheinen lassenden Grund, sondern erst mit der – nach Grund und Höhe – im Ermessen der Finanzbehörde stehenden Festsetzung. Nach der seit 1.1.2017 geltenden Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur ...

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