Rz. 36
Die Maßnahme muss nach ihrem Inhalt und ihrer Ausgestaltung eindeutig auf ein strafrechtliches Vorgehen zielen. Durch diese Willensbildung wird die Maßnahme zur Prozesshandlung (Rz. 3). Wegen der Nähe und der meist vorhandenen zeitlichen Überschneidungen strafrechtlicher und steuerlicher Ermittlungen muss die Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass es sich um eine steuerliche Maßnahme handelt.
Eindeutig strafrechtliche Schritte sind z. B.:
- die Vernehmung als Beschuldigter;
- die Beschlagnahme;
- die Postbeschlagnahme;
- die Durchsuchung;
- der Haftbefehl;
- die Anträge auf entsprechende richterliche Anordnungen.
Bei anderen Maßnahmen kann zunächst der Tätigkeitsbereich der die Maßnahme ergreifenden Stelle von Bedeutung sein. Beginnen der Strafrichter (Rz. 17), die Staatsanwaltschaft, ihre Ermittlungspersonen oder die Polizei mit Einzelermittlungen, so besteht eine Vermutung für ihren strafrechtlichen Charakter (Rz. 16).
Rz. 37
Auch die Tätigkeit der Steuerfahndung hat, wenn sie nicht nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO in unbekannten Steuerfällen oder nach § 208 Abs. 2 AO eindeutig steuerliche Aufgaben wahrnimmt, einen strafrechtlichen Inhalt. Auch jede Tätigkeit finanzbehördlicher Dienststellen, die funktionell für die Strafverfolgung zuständig sind, so z. B. die Strafsachenstelle, die einem irgendwie bei ihr auftauchenden konkreten Verdacht, etwa aufgrund einer Anzeige, nachgeht, ist als Maßnahme i. S. d. § 397 Abs. 1 AO anzusehen.
Rz. 38
Bei der Tätigkeit anderer Stellen der Finanzbehörden i. S. v. § 6 AO spricht die Vermutung dafür, dass sie sich in ihrem eigentlichen Aufgabenbereich, also steuerlich, bewegen. Eine Handlung etwa eines Außenprüfers oder einer Veranlagungsstelle des FA kann daher nur dann eine Maßnahme i. S. d. § 397 Abs. 1 AO sein, wenn ein steuerlicher Inhalt ausgeschlossen ist. Das ist z. B. anzunehmen bei Nachforschungen zur subjektiven Seite eines Vorgangs, der steuerlich schon abschließend geklärt ist, z. B. eine Frage nach den Motiven etwa eines betrieblich behandelten Privatvorgangs.
Rz. 39
Der vorläufige Abbruch einer Prüfung, die Hinzuziehung der Steuerfahndung mit einer entsprechenden Begründung und die Übersendung der Akten an die Strafsachenstelle zur strafrechtlichen Würdigung sind nicht als strafrechtliche Maßnahmen anzusehen.
Auch der Hinweis in der Schlussbesprechung einer Außenprüfung nach § 201 Abs. 2 AO, dass die strafrechtliche Würdigung einem besonderen Verfahren vorbehalten bleibt, ist für sich keine Maßnahme mit der Zielsetzung des § 397 Abs. 1 AO. Das Unterlassen des Hinweises hat keine Rechtswirkungen, weder für das Besteuerungs- noch für das Strafverfahren.
Die Anforderung der Steuerakten durch die Steuerfahndung für Zeiträume, für die eine Einleitung nicht erfolgt ist, ist ebenfalls keine "Maßnahme" i. S. v. § 397 AO.