1 Abschluss des Steuerstrafverfahrens – Überblick
Rz. 1
Aufgrund des in § 152 Abs. 2 StPO verankerten Legalitätsprinzips sind die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich verpflichtet, bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten die strafrechtlichen Ermittlungen aufzunehmen. Das mit der Einleitung begonnene strafrechtliche Ermittlungsverfahren findet seinen tatsächlichen Abschluss nur durch eine besondere Verfahrenshandlung der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO bzw. der Staatsanwaltschaft. Dieser Abschluss ist abhängig vom Ermittlungsergebnis:
- Ergibt sich nach dem Abschluss der Ermittlungen kein genügender Anlass für die Erhebung der öffentlichen Klage, so muss nach § 170 Abs. 2 S. 1 StPO die Einstellung des Verfahrens erfolgen.
- Bietet die Ermittlung genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so hat die Staatsanwaltschaft grds. zwei Möglichkeiten zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens. Sie erhebt die öffentliche Klage nach § 170 Abs. 1 StPO durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht mit dem Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Sie kann aber das Verfahren ggf. auch durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abschließen. Diesen Antrag kann allerdings nach § 400 AO auch die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO stellen und damit das Verfahren abschließen.
- Zudem eröffnen die §§ 153 ff. StPO Einstellungsmöglichkeiten, wobei § 398 AO hier im Rahmen des Steuerstrafverfahrens eine weitere Möglichkeit der Verfahrenseinstellung bietet. Die Entscheidung hierüber liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Ermittlungsbehörde (Opportunitätsprinzip).
- §§ 154, 154a StPO ermöglichen die Beschränkung der Strafverfolgung mit Blick auf weitere, schwerwiegendere Gesetzesverletzungen. Auch bei der Anwendung der §§ 154, 154a StPO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Ermittlungsbehörde.
- Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz v. 28.4.2011, das am 3.4.2011 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber die Regelungen zur steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige erheblich verschärft und im Zuge dessen mit § 398a AO eine weitere neue Einstellungsvorschrift in der AO geschaffen. Mit Wirkung zum 1.1.2015 sind die Voraussetzungen des § 398a AO noch einmal deutlich verschärft worden.
Rz. 2
Wird das Steuerstrafverfahren von der Staatsanwaltschaft geführt, so obliegt ihr in diesem Fall auch die Einstellungsentscheidung. Indes muss sie gem. § 403 Abs. 4 AO die nach § 386 Abs. 1 AO zuständige Finanzbehörde vor der Einstellung (sei es § 170 Abs. 2 StPO oder auch §§ 153 ff. StPO, § 398 AO bzw. §§ 154, 154a StPO) hören. Diese kann die Staatsanwaltschaft allerdings nicht an einer Einstellung hindern, selbst wenn aus der Sicht der Finanzbehörde Gründe für eine solche Maßnahme nicht vorhanden sind.
Führt die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO die Ermittlungen in eigener Zuständigkeit, ist sie aufgrund ihrer nach § 399 AO bestehenden staatsanwaltschaftlichen Kompetenzen zur Einstellung befugt. Die missglückte Formulierung des § 398 AO schließt die Einstellungskompetenz der Finanzbehörde nicht aus (Rz. 17).
2 Hinweise zu den allgemeinen strafprozessualen Einstellungsvorschriften
2.1 Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO
Rz. 3
Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (Rz. 2) hat ohne Verzögerung zu erfolgen:
- bei Verfahrenshindernissen, z. B. dem Verjährungseintritt oder einem Verfolgungshindernis z. B. nach § 398a AO;
- bei materiell-rechtlichen Hinderungsgründen, z. B. einer wirksamen Selbstanzeige i. S. v. § 371 AO,
- wenn tatsächliche Gründe einer Anklageerhebung entgegenstehen, also Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerstraftat nicht ermittelt werden konnten, z. B. die Unschuld des Beschuldigten entweder tatsächlich feststeht oder aber ein Schuldnachweis nicht geführt werden konnte.
Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO hindert nicht die erneute Aufnahme des S...