Rz. 19

Aus § 161 StPO ergibt sich der Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens, der auch für Polizei und Steuerfahndung gilt.[1] Es sind alle zulässigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet und erforderlich sind, zur Aufklärung der Straftat beizutragen. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz lediglich durch die mit Gesetz v. 21.12.2007[2] eingeführte Vorschrift des § 160a StPO (Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgeheimnisträger). Sie statuiert zunächst ein absolutes Beweiserhebungsverbot für Ermittlungen gegen Geistliche, Verteidiger und Abgeordnete, sowie gegen Rechtsanwälte. Eine Maßnahme gegen die genannten Personen ist unzulässig, wenn eine Prognose ergibt, dass Erkenntnisse aus dem nach § 53 StPO geschützten Bereich zu erwarten sind.[3] Ein nur relatives Beweiserhebungsverbot sieht die Vorschrift dagegen in Abs. 2 für die in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO genannten Beratungsberufe, u. a. bei Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, vor. Für diese Berufsgeheimnisträger wird die Einschränkung der Ermittlungsmaßnahmen nur im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gewährt.[4] Auf selbst beschuldigte Zeugnisverweigerungsberechtigte ist die Vorschrift ausdrücklich nicht anwendbar.

Art und Reihenfolge der Ermittlungsmaßnahmen ergeben sich häufig aus kriminaltaktischen Gesichtspunkten. Hat sich der der Fahndung vorliegende Sachverhalt, der zunächst z. B. aus einer Anzeige oder Kontrollmaterial und den Steuerakten besteht, soweit verdichtet, dass ein Anfangsverdacht besteht[5], leitet die Steuerfahndung ein Ermittlungsverfahren ein. Hierzu werden in einem – deklaratorischen – Aktenvermerk[6] der Einleitungszeitpunkt und der mutmaßliche Tatumfang niedergelegt. Häufig ist dann die überraschende Durchsuchung beim Beschuldigten oder bei Dritten geboten, deren Erkenntnisse zu weiteren Zeugenvernehmungen und Bankenanfragen führen können. Spätestens mit der Durchsuchung wird dem Beschuldigten die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben und damit die Möglichkeit der Selbstanzeige ausgeschlossen .[7] Ermittlungen ohne Bekanntgabe stehen unter dem Risiko, dass der Beschuldigte hiervon erfährt und eine Selbstanzeige erstattet[8]; im Übrigen ist der Beschuldigte möglichst erst nach vollständiger Ausschöpfung der Ermittlungsmaßnahmen zu vernehmen, damit ihm das Ergebnis der Ermittlungen schon bei seiner ersten Vernehmung vorgehalten werden kann.[9]

[1] Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 163 StPO Rz. 47.
[2] BGBl I 2007, 3198.
[3] Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 160a StPO Rz. 3; Griesbaum, in KK-StPO, 8. Aufl. 2019, § 160a StPO Rz. 3f.
[4] Krit. Rüping, DStR 2007, 1182; Fahr, DStR 2008, 375, 378.
[6] Nikolaus, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 397 Abs. 2 AO.
[8] Zu den inzwischen allerdings stark begrenzten Möglichkeiten einer Selbstanzeige in solchen Fällen siehe Erläuterungen bei Webel, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, zu § 371 AO.
[9] Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 161 StPO Rz. 8

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