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§ 410 Abs. 1 AO erklärt zunächst die verfahrensrechtlichen Vorschriften des OWiG für subsidiär anwendbar.[1]

Die folgenden Sonderregelungen erklärt § 410 Abs. 1 AO im steuerlichen Bußgeldverfahren für entsprechend anwendbar, sodass sie gegenüber den Vorschriften des OWiG vorrangig sind:

  • §§ 388390 AO über die örtliche Zuständigkeit der Finanzbehörde, die die §§ 3739 OWiG verdrängen. Aufgrund des Verweises auf § 388 AO sind mehrere Finanzbehörden für die Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten zuständig:

    • Die Finanzbehörde, in deren Bezirk die Steuerordnungswidrigkeit begangen oder entdeckt wurde[2],
    • die Behörde, die zzt. der Verfahrenseinleitung für die verwaltungsmäßige Bearbeitung der Abgabenangelegenheit zuständig ist[3] und
    • die Behörde, in deren Bezirk der Betroffene zzt. der Verfahrenseinleitung seinen Wohnsitz hat.[4]

    Vgl. dazu die Erl. bei Klaproth, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, zu § 388 AO.

    Für zusammenhängende steuerliche Bußgeldverfahren, die einzeln in den Zuständigkeitsbereich verschiedener Finanzbehörden fallen würden, ist jede einzelne dieser Behörden insgesamt zuständig.[5]

    Liegt ein Fall der Mehrfachzuständigkeit vor, so gebührt derjenigen Finanzbehörde der Vorrang, die wegen der Tat zuerst das Verfahren eingeleitet hat. Auf Ersuchen dieser Finanzbehörde hat allerdings eine andere zuständige das Verfahren zu übernehmen, wenn dies für die Ermittlungen sachdienlich erscheint.[6]

  • § 391 AO über die Zuständigkeit des Gerichts.[7] Abweichend von § 68 OWiG ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat. Es entscheiden beim Amtsgericht die Abteilungen für Bußgeldsachen, § 46 Abs. 7 OWiG.
  • § 392 AO über die Verteidigung.[8] In steuerlichen Bußgeldverfahren besteht somit die Möglichkeit, dass Angehörige der steuerberatenden Berufe als Verteidiger des Betroffenen auftreten. Mit der Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft[9] endet im Bußgeldverfahren jedoch diese Möglichkeit, da die Finanzbehörde nur bis zu diesem Zeitpunkt den Bußgeldbescheid noch gem. § 69 Abs. 2 S. 1 OWiG zurücknehmen, das Verfahren einstellen oder einen neuen Bußgeldbescheid erlassen kann. Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren übernommen, so kann ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe die Verteidigung nur noch gemeinsam mit einem Rechtsanwalt oder Rechtslehrer führen, vgl. §§ 410 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 392 Abs. 1 AO.
  • § 393 AO über das Verhältnis des Strafverfahrens zum Besteuerungsverfahren.[10]
  • § 396 AO über die Aussetzung des Verfahrens bei vorgreiflichen steuerrechtlichen Fragen.[11]
  • § 397 AO über die Einleitung des Strafverfahrens.[12] Die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens oder die Anordnung dieser Bekanntgabe unterbricht gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG i. V. m. § 377 Abs. 2 AO bei Steuerordnungswidrigkeiten den Lauf der Verfolgungsverjährung. Darüber hinaus hemmt sie gem. § 171 Abs. 5 S. 2 AO den Lauf der steuerlichen Festsetzungsfrist.

    Aufgrund der Bekanntgabe verliert der Betroffene auch die Möglichkeit der bußgeldbefreienden Selbstanzeige gem. § 378 Abs. 3 AO und der strafbefreienden Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO.

  • § 399 Abs. 2 AO über die Rechte und Pflichten der Finanzbehörde bei Zuständigkeitskonzentrationen auf eine einzige Finanzbehörde für den Bereich mehrerer Finanzbehörden.[13]
  • §§ 402, 403 Abs. 1, 3 und 4 AO über die Stellung der Finanzbehörde im Verfahren der Staatsanwaltschaft.[14] Besonderheiten ergeben sich, wenn das Verfahren wegen einer Straftat durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wird, aber Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Tat als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. In diesem Fall gibt die Staatsanwaltschaft gem. § 43 Abs. 1 OWiG das Verfahren an die Verwaltungsbehörde ab.
  • § 404 S. 1 und 2 1. Halbs. AO über die Steuer- und Zollfahndung.[15] Danach haben die Zollfahndungsämter, die Steuerfahndungsstellen und ihre Beamten im Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten dieselben Befugnisse wie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes. Besonderheiten ergeben sich allerdings daraus, dass die Fahndungsbeamten im Ordnungswidrigkeitenverfahren keine Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind. Hat indes die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit übernommen, so sind die mit der Ermittlung betrauten Fahndungsbeamten verpflichtet, auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft tätig zu werden und ihre Aufträge auszuführen, vgl. § 161 Abs. 1 S. 2 StPO.
  • § 405 AO über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen.[16]
  • § 407 AO über die Beteiligung der Finanzbehörde im gerichtlichen Bußgeldverfahren.[17] Daraus ergibt sich, dass die Finanzbehörde im Gegensatz zur Regelung des § 76 Abs. 2 OWiG zwingend am gerichtlichen Verfahren (inkl. Rechtsmittelzug) zu beteiligen ist. Sie erhält in der Hauptverhandlung das Wort und ist zu hören, wenn das Gericht beabsichtigt, das Verfahren gem. § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.
  • § 408 AO über die Kosten des Bußgeldverfahrens.[18] Die entstandenen notwendigen Ausla...

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