1 Allgemeines
1.1 Inhalt und Bedeutung der Vorschrift
Rz. 1
§ 44 Abs. 1 AO zählt in S. 1 die Fälle auf, in denen Personen Gesamtschuldner sind, und bestimmt in S. 2 den Umfang der Leistungspflicht der Gesamtschuldner.
§ 44 Abs. 2 AO regelt in S. 1 und 2, welche in der Person eines Gesamtschuldners eingetretenen Umstände auch für die übrigen Schuldner wirken, und stellt in S. 3 klar, dass andere Tatsachen nur für und gegen den Gesamtschuldner wirken, in dessen Person sie eintreten. § 44 Abs. 2 S. 4 AO bestimmt, dass die Vorschriften der §§ 268 bis 280 AO über die Beschränkung der Vollstreckung in den Fällen der Zusammenveranlagung unberührt bleiben.
Eine ausdrückliche Definition des Begriffs der Gesamtschuld bzw. des Gesamtschuldners enthält § 44 AO nicht. Allerdings ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 und 2, dass in den Fällen der Gesamtschuld – ebenso wie nach § 421 S. 1 Hs. 1 BGB – jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger die Leistung aber nur einmal zu fordern berechtigt ist.
1.2 Betroffene Steuerarten
Rz. 2
§ 44 AO gilt für alle in den Anwendungsbereich der AO fallenden Steuerarten. Dazu gehören neben den durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelten und von Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern auch die Realsteuern, d. h. Grund- und Gewerbesteuer, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist. Für die landesgesetzlich bzw. auf landesgesetzlicher Grundlage geregelten Steuern und sonstigen öffentlich-rechtlichen Abgaben gilt § 44 AO, soweit das Landesrecht die Vorschriften der AO für anwendbar erklärt.
In Bezug auf Zölle und Abschöpfungen gibt Art. 84 des Zollkodex der Union außer der Anordnung, dass mehrere Personen, die zur Entrichtung des einer Zollschuld entsprechenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrags verpflichtet sind, gesamtschuldnerisch für die Zahlung dieses Betrags einzustehen haben, keine näheren Maßgaben; insoweit sind die Regeln des § 44 AO anwendbar.
1.3 Betroffene Ansprüche
Rz. 3
Gegenstand einer Gesamtschuld können alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. v. § 37 AO sein, d. h. Steueransprüche, Haftungsansprüche, Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen und Ansprüche auf Erstattung gezahlter oder zurückgezahlter Steuern, Steuervergütungen, Haftungsbeträge und steuerlicher Nebenleistungen.
Andere als auf eine Geldleistung gerichtete Pflichten, d. h. Mitwirkungspflichten, Auskunfts- und Vorlagepflichten, Anzeigepflichten; Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie Erklärungspflichten, können nicht Gegenstand einer Gesamtschuld i. S. v. § 44 Abs. 1 S. 1 AO sein. Es handelt sich dabei nicht um Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis. Auch wirkt die Erfüllung der Pflicht durch einen der Verpflichteten in diesen Fällen nicht ohne Weiteres für den oder die anderen Verpflichteten. So sind Ehegatten, die die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer wählen, nach § 25 Abs. 3 S. 2 EStG zur Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung verpflichtet. Das Gesetz hat die Erklärungspflicht für diesen Fall also zu einer gemeinschaftlichen Verpflichtung der Ehegatten ausgestaltet, die diese nur zusammen erfüllen können.
1.4 Verhältnis zum Bürgerlichen Recht
Rz. 4
§ 44 AO knüpft an den in § 421 S. 1 BGB definierten Begriff des Gesamtschuldners an und gestaltet das steuerrechtliche Gesamtschuldverhältnis in Anlehnung an die in den §§ 421ff. BGB getroffenen Regelungen näher aus. Dass er anders als § 421 S. 1 BGB die Befugnis des Gläubigers, die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teile zu fordern, nicht ausdrücklich erwähnt, begründet keinen sachlichen Unterschied, weil dies aus dem Wesen der Gesamtschuld folgt. Allerdings tritt im Fall des § 44 AO an die Stelle des bürgerlich-rechtlichen Beliebens das nach Maßgabe des § 5 AO auszuübende Ermessen der Finanzbehörde. Entsprechend § 421 S. 2 BGB bleiben bis zur Bewirkung der ganzen Leistung sämtliche Schuldner verpflichtet. Die Frage des Ausgleichs zwischen den verschiedenen Gesamtschuldnern ist in § 44 AO nicht geregelt, sondern nach den Grundsätzen des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zu beantworten.
Rz. 5 einstweilen frei