Dr. Zacharias-Alexis Schneider
Rz. 1
Regelungsgegenstand des § 78 AO ist die Bestimmung des formell Beteiligten im steuerlichen Verwaltungsverfahren als verfahrensrechtlicher Ausdruck und Zuordnung von subjektiven Rechten und Pflichten.
1.1.1 Verfahrensrechtssubjekt
Rz. 2
Die Behörde handelt im Verwaltungsverfahren gegenüber Außenstehenden, die in diesem Verfahren als Beteiligte bezeichnet werden. § 78 AO regelt, welche Möglichkeiten der Beteiligung am Besteuerungsverfahren existieren und auf welche Weise diese Rechtsstellung begründet wird. Die Definition des Beteiligtenbegriffs wird erforderlich, weil die Abgabenordnung an die Beteiligtenstellung Rechte und Pflichten knüpft. Der Begriff des Beteiligten bezeichnet eine formelle verfahrensrechtliche Rechtsstellung. Der Beteiligtenbegriff nach § 78 AO entspricht insoweit dem formellen Parteibegriff des gerichtlichen Verfahrens.
Rz. 3
Der Beteiligte ist Rechtssubjekt des Verwaltungsverfahrens, d. h. Träger der eigenen verfahrensrechtlichen Rechte und Pflichten, wie z. B. dem Recht auf Gehör oder dem Recht auf Bekanntgabe der Entscheidung. Der Beteiligte kann seine Rechte im Verwaltungsverfahren selbständig wahrnehmen oder sich vertreten lassen und auf diese Weise auf den Verfahrensablauf gestaltend, z. B. durch Anträge oder Rechtsbehelfe, einwirken (Aktivlegitimation) und muss Maßnahmen der Finanzbehörde gegen sich gelten lassen (Passivlegitimation). Zwischen der Finanzbehörde und dem Beteiligten entsteht ein dem Prozessrechtsverhältnis vergleichbares Verfahrensrechtsverhältnis mit gegenseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen.
Rz. 4
Diese verfahrensrechtliche Rechtsstellung als Beteiligter ist abzugrenzen von der materiellen Rechtsstellung als Steuerrechtssubjekt oder Stpfl. i. S. v. § 33 AO, d. h. der Fähigkeit, Träger materieller steuerlicher Rechte oder Pflichten zu sein. Der Träger materieller steuerlicher Rechte oder Pflichten ist nicht schon aufgrund dieser Rechtsstellung Beteiligter i. S. v. § 78 AO, sondern wird es ausschließlich dadurch, dass er den Tatbestand des § 78 AO erfüllt. In der Verwaltungsentscheidung gegenüber dem Beteiligten erfolgt die Konkretisierung seiner materiellen Rechtsstellung. Umgekehrt wird die Beteiligtenstellung nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beteiligte tatsächlich nicht Träger der speziellen Steuerpflichten, also materiell nicht Stpfl. i. S. v. § 33 AO ist. Die Finanzbehörde kann das Verwaltungsverfahren gegen Personen richten, wenn sie generell als Pflichtenträger in Betracht kommen. Sind die Beteiligten dann tatsächlich nicht Stpfl. i. S. v. § 33 AO oder fehlt ihnen die Beteiligungsfähigkeit, wirkt sich dies auf die materielle Rechtmäßigkeit des erlassenen Verwaltungsakts aus. Dieser ist rechtswidrig und ggf. sogar nichtig.
1.1.2 Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 5
Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte steuerrechtliche Verwaltungsverfahren, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Vorschrift regelt demnach die Beteiligtenstellung insbesondere im Steuerfestsetzungs- bzw. Steuerfeststellungs-, Haftungs-, Steuererhebungs- und Vollstreckungsverfahren.
Rz. 6
Spezialgesetzliche Regelungen, wie z. B. in § 186 AO (Zerlegungsverfahren), § 359 AO (außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren) oder § 57 FGO haben Vorrang. Wegen der abweichend geregelten Beteiligtenstellung findet § 78 AO insoweit keine Anwendung.
1.1.3 Sprachgebrauch der Abgabenordnung
Rz. 7
Der Begriff des Beteiligten nach § 78 AO wird nicht konsequent genutzt. So wird beispielsweise in §§ 19, 33 Abs. 2, 91 Abs. 1 AO auch für Verfahrensfragen auf den materiellen Begriff des Stpfl. zurückgegriffen.
Rz. 8
Für einzelne Verfahrensabschnitte sind die Beteiligten zudem gesondert bezeichnet oder bestimmt:
- § 183 Abs. 1 AO – Feststellungsbeteiligte
- § 186 AO – Beteiligte am Zerlegungsverfahren
- § 253 AO – Vollstreckungsschuldner als Beteiligter am Vollstreckungsverfahren wegen Geldforderungen (§ 249 AO)
- § 328 AO – Pflichtige als Beteiligte am Vo...