1 Systematische Stellung der §§ 328-336 AO
Rz. 1
Die §§ 328–336 AO bilden den Dritten Abschnitt des Sechsten Teils der AO, der die Vollstreckung regelt. Während im 2. Abschnitt die Vollstreckung wegen Geldforderungen geregelt ist, regeln die §§ 328–336 AO die Vollstreckung wegen anderer Leistungen als Geldforderungen. Sie betreffen zum einen die im Ersten Unterabschnitt geregelte Vollstreckung wegen Handlungen, Duldungen und Unterlassungen und als Sonderfall die im Zweiten Unterabschnitt geregelte Erzwingung von Sicherheiten.
Rz. 2
Soweit in den §§ 328–336 AO keine abweichenden Regelungen enthalten sind, sind die im Ersten Abschnitt enthaltenen "allgemeinen Vorschriften" der §§ 249–258 AO auch auf die Vollstreckungsmaßnahmen i. S. d. Dritten Abschnitts anzuwenden. Eine Ausnahme gilt nur für § 249 Abs. 1 S. 3 AO, da § 328 Abs. 1 S. 3 AO eine eigenständige Regelung zur Bestimmung der Vollstreckungsbehörde enthält.
Allerdings sind die Regelungen der §§ 249–258 AO z. T. speziell auf die Vollstreckung wegen Geldforderungen zugeschnitten, sodass sie nicht auf die Vollstreckungsmaßnahmen des Dritten Abschnitts passen. So kommt § 249 Abs. 2 AO allenfalls bei der Bemessung des Zwangsgelds in Betracht. Die Bestimmung des Vollstreckungsgläubigers in § 252 AO hat für die Vollstreckungsmaßnahmen des Dritten Abschnitts keine Bedeutung. Das Gleiche gilt für die Definition des "Vollstreckungsschuldners" in § 253 AO; im Dritten Abschnitt wird der Betroffene als "Pflichtiger" bezeichnet. § 254 Abs. 1 AO ist grundsätzlich auch auf die §§ 328–336 AO anwendbar. Allerdings wird sich das Leistungsgebot in den in § 328 AO bezeichneten Verwaltungsakten im Allgemeinen unmittelbar aus dem Inhalt des durchzusetzenden Verwaltungsakts ergeben, sodass sich die Bedeutung des § 254 Abs. 1 AO in der Beachtung der Wochenfrist erschöpft. § 254 Abs. 2 AO hat nur für die Vollstreckung wegen Geldforderungen Bedeutung. Von den in § 257 Abs. 1 AO aufgeführten Gründen für die Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung sind nur die in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Fälle (Wegfall der Vollstreckungsvoraussetzungen, Aufhebung des zu vollstreckenden Verwaltungsakts) von Bedeutung. § 258 AO dürfte für die Maßnahmen des Dritten Abschnitts keine praktische Bedeutung haben, weil die Gewährung von Vollstreckungsaufschub dem Zweck des Zwangsmittels widersprechen würde.
Rz. 3
Die Anwendungsbereiche des Zweiten Abschnitt und des Dritten Abschnitts schließen sich wechselseitig aus. Nach der Überschrift des Dritten Abschnitts betrifft dieser allein die Vollstreckung wegen "anderer Leistungen als Geldforderungen". Die Vollstreckung wegen Geldforderungen richtet sich daher ausschließlich nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts.
Allerdings können die Vorschriften des Zweiten Abschnitts auch bei der Anwendung von Zwangsmitteln i. S. d. Dritten Abschnitts Bedeutung erlangen. So richtet sich die eventuell erforderliche Beitreibung eines nach § 333 AO festgesetzten Zwangsgelds oder der von dem Pflichtigen zu tragenden Kosten der Ersatzvornahme oder des unmittelbaren Zwangs nach den §§ 259–323 AO. Auch die im Zweiten Unterabschnitt geregelte Erzwingung von Sicherheitsleistungen erfolgt gem. § 336 Abs. 2 S. 2 AO nach den §§ 262–323 AO. Umgekehrt können zur Vollstreckung wegen Geldforderungen Maßnahmen erforderlich werden, die ihrerseits nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts durchzusetzen sind, z. B. die Herausgabe von Urkunden über die eingezogene Forderung durch den Vollstreckungsschuldner oder – allerdings nur durch Zwangsgeld – die Erteilung der Drittschuldnerauskunft. Schließlich enthält der Zweite Abschnitt Regelungen zur Durchsetzung von Handlungen bzw. Duldungen, die den Vorschriften der §§ 328–335 AO vorgehen. Zur Erzwingung einer Vermögensauskunft und der Versicherung ihrer Richtigkeit an Eides statt sieht § 284 Abs. 8 AO die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht vor. § 287 Abs. 3 AO ermächtigt den Vollziehungsbeamten, wenn er Widerstand findet, Gewalt anzuwenden und hierzu um Unterstützung durch Polizeibeamte nachzusuchen. Zur Durchsetzung der dem Schuldner obliegenden Pflicht zur Herausgabe von Urkunden über die eingezogene Forderung sieht § 315 Abs. 2 S. 5 AO alternativ zum Vorgehen nach §§ 328–335 AO die Wegnahme durch den Vollziehungsbeamten vor.