Rz. 15
Die Revisionsfrist beginnt grundsätzlich mit der (wirksamen) Zustellung des vollständigen Urteils an die Beteiligten, sofern das FG die Revision zugelassen hat. Die Zustellung ist auch dann entscheidend, wenn das Urteil verkündet und somit bereits mit der Verkündung wirksam wird. Dies gilt auch bei Zustellung an einen Prozessunfähigen. Fehlt auch nur eine Seite in der zugestellten Ausfertigung oder sind einzelne Passagen nicht lesbar, beginnt die Frist nicht zu laufen; anders bei Unleserlichkeit einzelner Buchstaben oder Wörter, die den Sinngehalt nicht verfälschen.
Ersetzt das FG die Begründung durch Verweis auf ein Schriftstück, das den Beteiligten nicht bekannt oder zugänglich ist, wird die Revisionsfrist gleichwohl in Lauf gesetzt. Es liegt aber ein absoluter Revisionsgrund nach § 119 Nr. 6 FGO (gänzliches oder teilweises Fehlen der Entscheidungsgründe) vor. Auch bei Bezugnahme auf ein anderes, später zugestelltes Urteil wird die Revisionsfrist bereits mit der Zustellung des bezugnehmenden Urteils, nicht erst mit Zustellung des in Bezug genommenen Urteils, in Lauf gesetzt.
Stellt das FG ein Urteil ein zweites Mal zu, weil die ursprüngliche Zustellung unwirksam war, muss es die Rechtsmittelbelehrung konkret auf diese Fallgestaltung beziehen. Andernfalls gilt nicht die Monatsfrist des § 120 Abs. 1 S. 1 FGO, sondern die Jahresfrist nach § 55 Abs. 2 S. 1 FGO.
Sind an dem Verfahren mehrere beteiligt, wird das Urteil bereits mit der Zustellung an den ersten Beteiligten wirksam. Gleichwohl beginnt die Frist gesondert mit der Zustellung an den jeweiligen Beteiligten, sodass unterschiedliche Revisionsfristen laufen können.
Wird das Urteil des FG mehreren Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten zugestellt, ist die zeitlich erste Zustellung maßgebend. Dies gilt auch dann, wenn die Entscheidung des FG einem Verfahrensbeteiligten mehrfach zugestellt wird und er mit der Unterzeichnung des ersten Empfangsbekenntnisses zum Ausdruck gebracht hat, dass er von der Zustellung Kenntnis genommen hat und bereit ist, die Zustellung entgegenzunehmen.
Die Zustellung ist auch dann maßgeblich, wenn das Urteil verkündet worden ist. In diesem Fall ist die Einlegung bereits vor der Zustellung, aber nach der Verkündung und somit bereits vor Beginn der Revisionsfrist zulässig. Die Zustellung setzt lediglich die Revisionsfrist in Lauf.
Wird das Urteil – wie in der Finanzgerichtspraxis üblich – gem. § 104 Abs. 2 FGO nicht verkündet, sondern nur zugestellt, ist eine vorzeitig eingelegte Revision dagegen unzulässig, da das Urteil, wenn keine Verkündung stattgefunden hat, erst mit der Zustellung wirksam wird. Nach BFH v. 6.11.1985, II R 217/85, BStBl II 1986, 175 gilt dies nicht, wenn die noch nicht verkündete Entscheidung, deren unterschriebener Tenor bereits der Geschäftsstelle übergeben worden ist, den Beteiligten auf (telefonische) Anfrage bereits von der Geschäftsstelle bekannt gegeben wurde. Dagegen spricht, dass das Urteil mangels ordnungsmäßiger Verkündung in diesem Fall eigentlich noch nicht existent und damit noch nicht anfechtbar ist.
Lässt sich die Zustellung nicht nachweisen, gilt die Revision als rechtzeitig eingelegt, es sei denn, das Gegenteil ließe sich eindeutig dem Akteninhalt entnehmen.
Bei Zustellung an Bevollmächtigte gegen Empfangsbekenntnis ist das Urteil erst zugestellt, wenn der Bevollmächtigte oder ein beauftragter Mitarbeiter das Urteil entgegengenommen und seinen Willen gebildet hat, die Übersendung mit der Post als Zustellung gelten zu lassen. Das Empfangsbekenntnis verkörpert die Bereitschaft, die Zustellung an einem bestimmten Tag entgegenzunehmen und die Bekanntgabe des Schriftstückes als Zustellung gegen sich gelten zu lassen. Daher ist für die Bekanntgabe nicht die Einlegung in ein Postfach oder der Eingang in den Räumen der Kanzlei, sondern die Entgegennahme maßgebend.