Rz. 39
Die Bindungswirkung entfällt, wenn im zweiten Rechtsgang neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, sodass das FG über einen anderen Sachverhalt zu entscheiden hat, als er der Beurteilung durch den BFH unterlag.
Die Bindungswirkung entfällt, wenn sich nachträglich die entscheidenden tatsächlichen Umstände geändert haben. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Umstand bei der Urteilsfindung schon vorgelegen hat, im zweiten Rechtsgang vom FG aber weiter aufgeklärt worden ist. Ein solcher Fall liegt jedoch nur vor, wenn der BFH in der zurückverweisenden Entscheidung dem FG die weitere Sachaufklärung ermöglicht hat, nicht aber dann, wenn er über einen Teil des Streits bereits abschließend entschieden hat und daher nur für den übrigen Teil der Sache eine weitere Sachaufklärung durch das FG in Betracht kommen kann. Eine abschließende Entscheidung des BFH liegt hierbei auch dann vor, wenn er über die Beurteilung logisch vorausgehender Fragen entschieden hat. Die Bindungswirkung kann auch entfallen, wenn sich die Gesetzeslage rückwirkend geändert oder sich die Rspr. des BFH – unabhängig vom Streitfall – geändert hat.
Die Bindung entfällt auch für Streitpunkte innerhalb eines einheitlichen Streitgegenstands, in denen die Klage erfolglos blieb und deren Beurteilung vom BFH nicht beanstandet wurde. Hat der BFH z. B. das klageabweisende FG-Urteil im Hauptstreitpunkt A bestätigt und nur wegen unrichtiger Entscheidung zu einem untergeordneten Streitpunkt B die Sache an das FG zurückverwiesen, kann sich im zweiten Rechtsgang aufgrund neuen Tatsachenvortrags auch der Sachverhalt zum Streitpunkt A in einer Weise geändert darstellen, dass auch insoweit der Klage stattzugeben ist. Die Bindung besteht aber, wenn der BFH abschließend über einen abtrennbaren Teil der Klage, z. B. die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs, entschieden hat.
Rz. 40
Ebenso entfällt die Bindung, wenn nach der Zurückverweisung eine rückwirkende Gesetzesänderung eintritt. Das Gleiche gilt, wenn sich die höchstrichterliche Rspr. (BFH, GrS des BFH, EuGH, GmS) nach Zurückverweisung ändert.
Gleiches gilt, wenn das BVerfG ein Gesetz, das entscheidungserheblich war, mit Gesetzeskraft für verfassungswidrig erklärt hat. Eine Bindung kann auch nicht bestehen, wenn das BVerfG bei der Auslegung einfachen Rechts eine andere Auffassung als der BFH vertreten hat.
Die Bindung des FG bezieht sich nur auf die vom BFH vertretene Rechtsauffassung zu einer bestimmten Rechtsfrage. Gelangt das FG zu dem Ergebnis, dass sich sein Urteil auf die Beantwortung einer anderen, vom BFH nicht abgehandelten Rechtsfrage stützen lässt, ist das FG nicht gehindert, nunmehr seine Entscheidung mit diesem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zu begründen.
Die Bindung entfällt auch, wenn der BFH inzwischen seine Rspr. geändert hat, und zwar auch dann, wenn dies den Senat, der die Zurückweisungsentscheidung getroffen hat, betrifft. Entsprechendes gilt, wenn inzwischen eine abweichende Entscheidung des GrS des BFH, des GmS-OGB, des BVerfG oder des EuGH ergangen ist, da auch der BFH an deren Entscheidung gebunden wäre.
Rz. 41
Wird vom FG im zweiten Rechtsgang die Bindungswirkung missachtet, liegt ein mit der Nichtzulassungsbeschwerde zu rügender Verfahrensmangel vor sowie Divergenz von der zurückweisenden Entscheidung des BFH, zu rügen unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rspr. Nach Auffassung des BFH ist der Fehler nicht mit der Divergenzrüge geltend zu machen. Vielmehr liegt ein Verfahrensfehler vor, da es sich nach Zurückverweisung um dieselbe Sache handelt. Ob ein Verstoß gegen Abs. 5 vorliegt, ist durch Auslegung des BFH-Urteils zu ermitteln. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde ist darzulegen, dass die Klageabweisung auf dem Verfahrensfehler beruhen könnte.
Nach erneuter Zurückverweisung durch den BFH hat das FG im zweiten Rechtsgang die Bindung nunmehr zu beachten. Da der BFH im zweiten Rechtsgang an seine in dem zurückverweisenden Urteil vertretene Rechtsauffassung gebunden ist, sind die entsprechenden Rechtsfragen nicht mehr klärungsbedürftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde ist daher darzulegen, in welchem Umfang die Selbstbindung entfällt.
Verstößt das FG gegen die Bindungswirkung, indem es eine vom BFH in dem zurückverweisenden Urteil vertretene Auffassung missachtet, liegt ein Verfahrensfehler vor, der zur erneuten Zurückverweisung an das FG führt. Eine weitere Prüfung, ob auch darüber hinaus gehende Verfahrensfehler vorliegen, die eine Zurückverweisung rechtfertigen, ist dann nicht erforderlich. Zu einer – erneuten – Zurückverweisung, kommt es jedoch nicht, wenn sich das Urteil des FG aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist.