Rz. 36
Nach § 41 Abs. 2 S. 1 FGO kann die (allgemeine) Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage gegenwärtig oder in der Zukunft verfolgen kann oder in der Vergangenheit hätte verfolgen können. Die Feststellungsklage ist damit gegenüber der Gestaltungs- und der Leistungsklage subsidiär. Die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungsklage ist auch dann gegeben, wenn ein Verwaltungsakt, der die begehrte Feststellung betrifft, erst noch ergehen wird. Es ist auch ohne Bedeutung, ob eine Gestaltungs- oder Leistungsklage tatsächlich erhoben worden ist. Denn mit der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage soll nicht nur die Umgehung der besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen der vorrangig zu erhebenden verwaltungsaktbezogenen Gestaltungsklagen wie der Klagefrist oder des zumindest teilweise erfolglos abgeschlossenen Vorverfahrens verhindert werden, sondern auch die Mehrfachgewährung von Rechtsschutz. Der gleichwertige Rechtsschutz durch eine der in § 41 Abs. 2 S. 1 FGO genannten vorrangigen Klagen schließt daher die Feststellungsklage aus. Allerdings dürfte sich der Subsidiaritätsgrundsatz aus systematischen Erwägungen auf die nachgängige Gestaltungs- und Leistungsklage beschränken, weil der Finanzrechtsschutz grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz ist. Die Zulässigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage dürfte daher der nachgängigen Feststellungsklage nicht entgegenstehen.
Eine vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage setzt nur deren Statthaftigkeit, nicht deren Zulässigkeit, voraus. Denn es handelt sich bei § 41 Abs. 2 S. 1 FGO um eine Verfahrenskonkurrenzregelung, nicht aber um eine Regelung des Rechtsschutzinteresses. Daher muss z. B. auch einer Klage auf Feststellung, dass ein Einspruch gegen einen Verwaltungsakt nicht wegen Fristversäumnis unzulässig sei, der Erfolg versagt bleiben, weil der Kläger gegen diesen Verwaltungsakt eine Anfechtungsklage hätte erheben können. Gleichermaßen kann eine Feststellung über nicht selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlagen i. S. des § 157 Abs. 2 AO nicht zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden. Daher ist auch der Streit über die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung durch Anfechtung des Steuerbescheids zu führen, der die tatsächliche Verständigung umsetzt. Die in § 127 AO vorgesehene Anfechtungsbeschränkung von Verwaltungsakten kann ebenso nicht umgangen werden, indem wegen Verfahrensfehlern i. S. des § 127 AO, die nicht zur Aufhebung des Verwaltungsakts führen, eine Feststellungsklage erhoben wird. Die Frage, ob eine Steuerschuld noch besteht oder bereits erloschen ist, ist durch einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO zu klären. Die Zulässigkeit einer dahingehenden Feststellungsklage ist daher ausgeschlossen. Der Grundsatz der Subsidiarität soll einer Feststellungsklage aber dann nicht entgegenstehen, wenn dem Kläger für die Anfechtungsklage mangels steuerlicher Auswirkungen die Klagebefugnis fehlt, er aber dennoch ein berechtigtes Interesse an der fraglichen Feststellung hat. Ein solches berechtigtes Interesse dürfte aber nur in Ausnahmefällen bestehen, weil eine Feststellungsklage selbst wegen eines rechtlich geschützten Dispositionsinteresses nicht zulässig ist (Rz. 31). Insoweit soll z. B. ein berechtigtes Interesse gegeben sein, wenn nach Aufhebung der gesonderten und einheitlichen Feststellung von sonstigen Einkünften durch gerichtliches Urteil das FA gem. § 174 Abs. 4 AO die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch einen Änderungsbescheid entsprechend erhöhen könnte, weil der Streit auf ein künftiges weiteres Klageverfahren verlagert wäre. Darüber hinaus dürfte aber auch regelmäßig fraglich sein, ob ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis besteht. Die begehrte Feststellung eines vermeintlichen Organträgers, ob zwischen ihm und einer vermeintlichen Organgesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht, dürfte deswegen einer Feststellung nicht zugänglich sein, weil es sich im Ergebnis um die Feststellung einer Besteuerungsgrundlage der vermeintlichen Organträgerin handelt. Die Frage des Bestehens einer Organschaft ist aus Sicht des vermeintlichen Organträgers eine unselbständige Vorfrage bei der Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Steuerschuldverhältnisses zwischen ihm und seinem FA.
Rz. 37
Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage des leistenden Unternehmers kann bei einem Rechtsstreit über die Umsatzsteuerbarkeit oder der Anwendung einer Steuersatzermäßigung nicht daraus hergeleitet werden, dass der leistende Unternehmer für die streitige Leistung eine Rechnung mit (höherem) Steuerausweis erteilt hat und die Anfechtungsklage dann aufgrund einer nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG bestehenden Steuerschuld unbegründet ist. Sofern für die Erteilung derartiger Rechnungen keine Veranlassung bestanden hat,...