Rz. 1
Die Regelung des § 43 FGO ermöglicht es dem Kläger aus prozessökonomischen Gründen, mehrere im Zusammenhang stehende Klagebegehren gegen denselben Beklagten in einer Klage zusammen zu verfolgen. Ebenso erlaubt die Regelung des § 59 FGO die gemeinsame Rechtsverfolgung durch mehrere Kläger. Das Klageverfahren steht insoweit grundsätzlich zur Disposition der Kläger. Diese Dispositionsfreiheit wird durch die Vorschrift des § 73 FGO eingeschränkt. Hiernach wird dem Gericht nach § 73 Abs. 1 FGO die Möglichkeit eröffnet, mehrere zunächst selbstständige Klagebegehren zu verbinden und mehrere zunächst zusammengefasste Klagebegehren zu trennen. Das Gericht kann darüber hinaus auch die von ihm vorgenommene Verbindung bzw. Trennung wieder rückgängig machen. Nach § 73 Abs. 2 FGO ist das Gericht sogar verpflichtet, selbstständig erhobene Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und einheitlichen Entscheidung zu verbinden, wenn der jeweilige Kläger zum jeweils anderen Verfahren notwendig beizuladen wäre.
Rz. 2
Die Trennung bzw. Verbindung von Verfahren ist grundsätzlich in jedem Verfahrensabschnitt, d. h. auch im Revisionsverfahren, möglich. Die Vorschriften über die Verbindung und Trennung von finanzgerichtlichen Verfahrens sind auch in selbstständigen Antragsverfahren, z. B. im Aussetzungsverfahren nach § 69 FGO, sinngemäß anwendbar. Ebenso sind Erinnerung, Gegenvorstellung und Anhörungsrüge jeweils einer Verbindung zugänglich.
Rz. 3
Die gerichtliche Entscheidung über die Verbindung oder Trennung von Verfahren liegt – abgesehen von dem Fall der notwendigen Beiladung i. S. d. § 73 Abs. 2 FGO – grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Das Gericht hat insoweit eine Interessen- und Zweckmäßigkeitsabwägung vorzunehmen und sich dabei insbesondere an der Prozessökonomie zu orientieren. Eine Trennung von Verfahren ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn nur eines der mehreren – zusammengefassten – Verfahren entscheidungsreif ist. Eine solche Trennung dient offensichtlich der Beschleunigung des Verfahrens und damit im Regelfall auch der Prozessökonomie. Demgegenüber kann durch Verbindung von Verfahren eine Mehrarbeit des Gerichts, insbesondere durch mehrere mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen, vermieden werden. Die Verbindung mehrerer selbständiger Klageverfahren unterschiedlicher Kläger kommt wegen der auch das Gericht bindenden Verpflichtung, das Steuergeheimnis i. S. d. § 30 AO zu wahren, regelmäßig nur dann und insoweit in Betracht, wie die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft i. S. d. § 59 FGO i. V. m. §§ 59ff. ZPO gegeben sind. Ebenso erscheint eine Verbindung mehrerer Verfahren zur Vermeidung unterschiedlicher Entscheidungen erforderlich. Allerdings dürfte eine solche Gefahr i. E. nur dann bestehen, wenn für die jeweiligen Verfahren unterschiedliche Senate nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts zuständig sind. Eine solche senatsübergreifende Verbindung mehrerer Verfahren ist aber allenfalls bei einer entsprechenden klaren und eindeutigen Regelung im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts möglich. Weitere Einzelheiten hierzu in den nachfolgenden Einzelkommentierungen.
Rz. 4
Von der Verbindung von Verfahren zur einheitlichen Entscheidung nach § 73 FGO ist die gleichzeitige gemeinsame Verhandlung mehrerer selbstständiger Verfahren zu unterscheiden. Eine Verbindung von Verfahren zur bloßen einheitlichen (mündlichen) Verhandlung ist als "eine der tatsächlichen Vereinfachung dienliche vorübergehende Maßnahme" bei gleichem Sachverhalt und einheitlicher Prozessvertretung zulässig. Sie entspricht der finanzgerichtlichen Praxis, Verfahren, die gleiche Sachverhalte oder Rechtsfragen zum Gegenstand haben, auf die gleiche Zeit laden und verhandeln zu können. Eine solche Verbindung erfolgt üblicherweise zu Beginn der mündlichen Verhandlung nach kurzer Anhörung der Beteiligten.
Tenor: "Die Verfahren [Aktenzeichen] und [Aktenzeichen] werden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden."
Den an den insoweit verbundenen Verfahren Beteiligten soll dadurch im Regelfall erspart werden, in den jeweiligen Streitsachen dieselben Ausführungen zu machen. Hiervon ist allerdings abzusehen, wenn ein Kläger durch diese Maßnahme in seiner Prozessführung gehindert wird oder die Gefahr einer Verletzung des Steuergeheimnisses besteht. Der gerichtliche Beschluss, die selbständigen Streitsachen zur gemeinsamen (mündlichen) Verhandlung zur verbinden, führt aber nicht zu einer echten Verbindung i. S. d. § 73 Abs. 1 S. 1 FGO. Das Gericht kann insoweit nach pflichtgemäßen Ermessen mehrere bei ihm anhängige Verfahren nicht nur zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung i. S. d. § 73 Abs. 1 FGO verbinden, sondern auch nur zur bloßen gemeinsamen Verhandlung. Aus der gemeinsamen Verhandlung mehrerer Sachen in einem Termin kann daher nicht auf eine konkludente Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gem. § 73 Abs. 1 FGO geschlossen werden.