Rz. 52
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten bewirkt nach § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 240 S. 1 ZPO ebenfalls eine Unterbrechung des Rechtsstreits, soweit das Verfahren die sog. Insolvenzmasse i. S. d. § 35 InsO betrifft (Rz 53). Der bloße Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt nicht zu einer Unterbrechung, sondern maßgebend ist der im Eröffnungsbeschluss genannten Zeitpunkt i. S. d. § 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Entscheidend ist, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht. Daher kann die Verfahrensunterbrechung gem. § 240 S. 2 ZPO auch bereits bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 22 Abs. 1 S. 1 InsO eintreten. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verbleibt dem Schuldner allerdings, wenn das Insolvenzgericht kein allgemeines Verfügungsverbot erlässt, sondern ihm nur ein Zustimmungsvorbehalt nach § 22 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Hs. 2 InsO auferlegt wird. Der Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hat sogleich zur Folge, dass eine vom Insolvenzschuldner erteilte Prozessvollmacht ihre Wirkung verliert. Im Falle der Eigenverwaltung behält der Schuldner allerdings seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, sodass keine Unterbrechung eintritt. Auch die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens bewirkt nach §§ 343, 352 InsO die Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens, es sei denn die Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung sind nach deutschem Recht nicht zuständig oder die Anerkennung führt zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere, soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist.
Rz. 53
Die Insolvenzmasse besteht nach § 35 InsO aus dem gesamten Vermögen, dass dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Daher muss es sich bei dem streitgegenständlichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis regelmäßig um eine sog. Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO handeln. Hierfür ist erforderlich, dass der den Steueranspruch begründende Tatbestand bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist. Der Steueranspruch muss daher noch nicht i. S. d. § 38 AO entstanden sein.
Die Insolvenzmasse ist allerdings von einem Gerichtsverfahren nicht betroffen, wenn die Entscheidung, wie sie nach dem materiellen Recht zu treffen ist, keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren hat, weil z. B. die vom Schuldner begehrte Änderung der Besteuerungsgrundlagen nichts daran ändert, dass ihm gegenüber weiterhin eine Ertragsteuerbelastung von 0 EUR festgesetzt wird und die bereits mit 0 EUR festgesetzte Ertragsteuer weder durch eine erfolgreiche Klage noch durch Klageabweisung geändert werden würde. Ebenso ist die Insolvenzmasse von der Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags gegenüber einer Personengesellschaft nicht betroffen, wenn lediglich über das Vermögen eines Gesellschafters ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Ebenso berührt ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft nicht das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren, da seine steuerlichen Folgen die Gesellschafter persönlich betreffen. Die Insolvenzmasse ist ebenfalls nicht betroffen, wenn der streitige Steueranspruch zwar die Insolvenzmasse betrifft, der Insolvenzverwalter aber die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO erklärt hat oder bereits zuvor das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners (Klägers) i. S. d. § 36 InsO betroffen ist. Daher kann eine Unterbrechung des Verfahrens auch aufgrund einer Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter enden. Ein Streit darüber, ob die Finanzbehörde berechtigt gewesen ist, einen Insolvenzantrag zu stellen, betrifft ebenso nicht die Insolvenzmasse. Die durch die Insolvenzeröffnung bewirkte Unterbrechung des Verfahrens bezieht sich dabei allerdings nicht nur auf das eigentliche Steuerfestsetzungsverfahren, sondern auch auf andere Verfahren, die – wie insbesondere das gesonderte Feststellungsverfahren auf der Grundlage des § 182 Abs. 1 AO – Auswirkungen auf die nach § 174 InsO zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen haben können.
Rz. 54
Die Unterbrechung bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beschränkt sich nicht nur auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers, sondern umfasst auch den notwendig Beigeladenen. Insoweit ist ein Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines Gewinnfeststellungsbescheids sogar dann unterbrochen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Person eröffnet wird, die zwar nicht selbst Klage erhoben hat, aber aufgrund ihrer Klagebefugnis zum Klageverfahren gem. § 60 Abs. 3 FGO erst noch notwendig beizuladen ist. Hat der Beigeladene aber nicht selbst eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH erhoben, ist er am Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde eines anderen Beteiligten nur...